Verwilderte Zierquitten in Osttirol

= Blütenpflanzen
Oliver Stöhr
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Verwilderte Zierquitten in Osttirol

Beitragvon Oliver Stöhr » Sonntag 5. Mai 2019, 10:02

Liebe Leute,

wie oft findet ihr verwilderte Zierquitten (Chaenomeles) in euren Gebieten?

Ich habe gestern in Obergaimberg (OT) auf 1120 msm an einem Straßenrand abseits von Siedlungen eine reich blühende, aulte China-Zierquitte (Chaenomeles speciosa) gefunden, die ich für verwildert halte. Der Wuchsort wird zuweilen als Ablgerungsort für Gartenabfälle genutzt, so dass ich denke, dass diese Art vor einigen Jahren durch Gartenauswurf dorthin gelangt ist. Es handelt sich wohl um den ersten Adventivnachweis dieser Art für Tirol.

Bereits etwas häufiger als Chaenomeles speciosa habe ich Chaenomeles x superba (=Ch. japonica x speciosa) in Osttirol adventiv nachweisen können - diese Hybride wird ja offenbar auch häufiger kultiviert als die Elternarten. Insgesamt habe ich hierfür bereits 4 Nachweise aus drei Quadranten für Osttirol vorliegen.

Viele Grüße
Oliver

P.S.: Bei uns schneit es übrigens gerade bis in die Tallagen - es ist schon eine dünne Schneedecke vorhanden ...
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Chaenomeles speciosa, Obergaimberg; Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
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kurt nadler
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Re: Verwilderte Zierquitten in Osttirol

Beitragvon kurt nadler » Sonntag 5. Mai 2019, 10:37

huschi
obwohl mir ausm garten geläufig, konnte ich chaenomeles noch nirgends abgelagert, geschweige denn angesamt finden. auch gibts im garten bei 2 verschiedenen sippen und reger fruchtbildung in 22 jahren keinen sämling.

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Hermann Falkner
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Re: Verwilderte Zierquitten in Osttirol

Beitragvon Hermann Falkner » Sonntag 5. Mai 2019, 10:52

Wär mir auch noch nicht aufgefallen (zur Blütezeit wär sie ja recht auffällig). (Schnee sogar im Wienerwald in höheren Lagen ... und ich laufe demnächst bei diesem Sus-scrofa-Wetter im World Run mit :-/).

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Norbert Griebl
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Re: Verwilderte Zierquitten in Osttirol

Beitragvon Norbert Griebl » Sonntag 5. Mai 2019, 11:32

Liebe Leute!

Wir Gärtner kultivieren die Zierquitte häufig und in mehreren Sorten. Allerdings glaube ich ist es nicht mehr nachvollziehbar, ob es sich bei den einzelnen Pflanzen um Chaenomeles japonica, Ch. speciosa oder um die Hybride Ch. x superba handelt. Seltener sind auch andere Arten wie Chaenomeles chatayensis mit eingekreuzt.
Dass die beiden wichtigsten Arten Ch. japonica und Ch. speciosa oft nicht richtig unterschieden werden, hat auch geschichtliche Gründe: 1784 beschrieb der schwedische Botaniker Carl Peter Thunberg die Japanische Zierquitte als Pyrus japonica, 12 Jahre später brachte der englische Botaniker Joseph Banks eine Pflanze aus China nach London, die man für diese von Thunberg beschriebene Art hielt. Es dauerte einige Jahre, bis man merkte, dass die Pflanze von Banks nicht der Beschreibung von Thunberg entsprach und gab ihr den Namen Pyrus speciosa. Diese Richtigstellung von Robert Sweet wurde aber weder von Gärtnern, noch von Botanikern richtig zur Kenntnis genommen und noch heute herrscht Unsicherheit in Bezug auf die Chaenomeles-Sippen. Die echte Japanische Zierquitte kam erst 1869 aus Japan nach Europa und wurde fortan verbreitet (KRAUSCH 2003). Ab 1898 entstand die Hybride Chaenomeles ×superba zufällig in verschiedenen Baumschulen (WEBER 1963). In der Folge entstanden vor allem in Frankreich und Kalifornien zahlreiche Kultivare, Rückkreuzungen mit den Elternsippen sowie Einkreuzungen mit einer dritten Art, nämlich Chaenomeles chatayensis (LEONHARTSBERGER 2018).
Verbreitet bzw. vermehrt sich vor allem durch Ausbringung von Gartenabfällen, aber auch über keimfähige Samen und Wurzelbrut (LEONHARTSBERGER 2018).

Verwilderungen sind aus Österreich mehrfach gemeldet (hier Ch. japonica, Ch. speciosa und die Kulturformen zusammengefasst, auch in der angehängten Karte zusammengefasst):
Mehrfach, so etwa Neumarkt an der Raab im Burgenland (TRAXLER 1975), Linz-Dornach und Bahnhof Hausruck in Oberösterreich (KLEESADL 2000, HOHLA & al. 2002), in Oberndorf bei Salzburg (PFLUGBEIL & PILSL 2013), in Andritz, Mariatrost und Hart bei Graz in der Steiermark (LEONHARTSBERGER 2018, Chaenomeles ×superba), in Obergaimberg und am Bahnhof Dölsach in Osttirol (STÖHR 2019, STÖHR & BRANDES 2014) und Bahnhof Penzing und Steinhof in Wien (ADLER & MRKVICKA 2003).

Quellen:
ADLER W. & MRKVICKA Ch. (2003): Die Flora von Wien - gestern und heute – Verlag des Naturhistorischen Mus. Wien, 831 S.
HOHLA M., KLEESADL G. & H. MELZER (2002): Neues zur Flora der oberösterreichischen Bahnanlagen – mit Einbeziehung einiger Bahnhofe Bayerns - Fortsetzung. — Beitr. Naturk. Oberösterreichs 11: 507–577.
Infoflora (2018): Das nationale Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora – https://www.infoflora.ch/de/
JANCHEN E. (1977): Flora von Wien, Niederösterreich und Nordburgenland. — Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien 2. Aufl. 757 S.
KLEESADL G. (2000): Zobodat-Herbarbelege – http://www.zobodat.at/belege.php?id=100043071
KRAUSCH H.-D. (2003): Kaiserkron und Päonien rot - Von der Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen – Dölling und Galitz-Verlag. 536 S.
LEONHARTSBERGER S. (2018): Grazer Kulturpflanzen in Ausbreitung, Vorbereitung zu einer Flora von Graz 2 – Joannea Botanik
MAURER W. (1996): Flora der Steiermark. Band I. Farnpflanzen (Pteridophyten) und freikronblättrige Blütenpflanzen (Apetale und Dialypetale). – Eching: IHW-Verlag; 311 S.
PFLUGBEIL G. & PILSL P. (2013): Vorarbeiten an einer Liste der Gefäßpflanzen des Bundeslandes Salzburg, Teil 1: Neophyten – Mitt. Haus der Natur 21: 25–83.
PILSL P., SCHRÖCK Ch., KAISER R., GEWOLF S., NOWOTNY G. & STÖHR O. (2008): Neophytenflora der Stadt Salzburg (Österreich) – Sauteria-Schriftenreihe f. systematische Botanik, Floristik u. Geobotanik 17: 1–596.
POLATSCHEK A. (2000): Flora von Nordtirol, Osttirol und Vorarlberg, Bd. 3. — Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck. 1354 S.
POLATSCHEK A. & NEUNER W. (2013): Flora von Nordtirol, Osttirol und Vorarlberg, Band 7 – Innsbruck: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, 821 S.
STÖHR O. & BRANDES D. (2014): Flora der Bahnhöfe von Osttirol – Carinthia II 204./124: 631–670.
TRAXLER G. (1975): Floristiscbe Neuigkeiten aus dem Burgenland (IX) – Burgenländische Heimatblätter 37: 52–64.
WEBER C. (1963): Cultivars in the genus Chaenomeles. - Arnoldia 23 (3): 17-75

LG
Norbert
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Je größer ein Mensch ist, desto mehr neigt er dazu, sich vor einer Blume niederzuknien

Oliver Stöhr
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Re: Verwilderte Zierquitten in Osttirol

Beitragvon Oliver Stöhr » Sonntag 5. Mai 2019, 13:04

Lieber Norbert,

danke für die wie immer feine und rasche Übersicht, dazu drei Anmerkungen:

Die von dir erwähnte Chaenomeles schreibt sich lt. Internet Chaenomeles cathayensis.

Die Arbeit von Susanne Leonhartsberger ist schon online hier zu finden: https://www.zobodat.at/pdf/JoanBot_15_0071-0098.pdf
(Der Titel der Arbeit ist ein anderer als von dir angegeben.)

Probleme bei der Ansprache verwilderter Chaenomeles-Sippen hatte ich zuletzt nicht. Mit dem Schlüssel der neuen Auflage des Roloff & Bärtels (2018; Flora der Gehölze, 5. Aufl.) kam ich zumindest bei meinen Osttiroler Pflanzen stets zu einem eindeutigen Ergebnis. Auch wenn Chaenomeles cathayensis dort nicht verschlüsselt ist, so schließe ich diese Art (oder deren Beteiligung im Hybridfall) bei der Pflanze in Obergaimberg aus, da die Blätter unterseits kahl sind (auch die jungen sind kahl); bei Chaenomeles cathayensis sollten sie unterseits wollig sein. Auch die Triebe der Obergaimberger Pflanze sind kahl und auch die Blattform passt gut für eine reine Ch. speciosa.

Viele Grüße
Oliver


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