Topinambur-Kulinarik

= Blütenpflanzen
Oliver Stöhr
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Topinambur-Kulinarik

Beitragvon Oliver Stöhr » Sonntag 3. November 2019, 11:10

Liebe alle,

heute habe ich zum ersten Mal Knollen der bei uns häufig verwilderten Topinambur (Helianthus tuberosus) für den Küchengebrauch geerntet und dabei festgestellt, dass zumindest zwei Varianten dieser Art bei uns vorhanden sind:

Eine Variante, die durch rötliche, gedrungene Knollen gekennzeichnet sind, oberirdisch jetzt schon völlig abgestorben ist und auf eher sandigen, lockeren Böden vorkommt und
eine Variante, die durch bleiche, längliche Knollen gekennzeichnet sind, oberirdisch noch tw. grün ist bzw. derzeit immer noch ein wenig blüht und auf eher schweren, lehmigen Böden vorkommt.
(siehe Bild)

In der Literatur sind ja durchaus mehrere Varianten dieser Art bekannt, bei uns in Österreich ist bezgl. der Wildpflanzen aber mW. kaum etwas dazu bekannt. Oder kennt ihr was?

Ein effizienter Beitrag zur Bekämpfung dieses Neophyten ist die Beerntung von Topinambur-Wildpflanzen durch "Rausreißen" übrigens nicht, denn nicht selten reißen die Knollen ab und bleiben im Boden stecken. Auch konnte ich feststellen, dass offenbar nicht jede Wildpflanze Knollen ausbildet bzw. diese ev. so klein sind, dass man sie leicht übersieht.

Viele Grüße
Oliver

PS.: Der Geschmack roher Topinambur-Knollen ist etwas nussig bzw. knackig wie Kohlrabi ... also recht fein ;-)
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kurt nadler
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Re: Topinambur-Kulinarik

Beitragvon kurt nadler » Sonntag 3. November 2019, 23:03

es gibt noch mehr "wildformen" mit schmalen rhizomknollen, deren alle mir bekannten ausgeprägte blüher sind und mindestens tw. fertil. sie sind locker belaubt.
aus dem pulkautal zwischen haugsdorf und zellerndorf nahm ich in jugendzeiten eine verwilderte mit leicht rötlichen, schlanken knollen in kultur, die war oberirdisch ziemlich weichpelzig, ich konnte sie leider nicht dauerhaft erhalten.
wohl deine hellknollige ist meine hauptsippe, besonders reich- und groß blühend, eher derb rauh an laub und stängeln. die essen wir regelmäßig, sie ist sehr wohlschmeckend, aber nur in recht kleinen mengen (vielleicht 5 knollen) verträglich (dürfte am inulin liegen). bei zu viel gibts 10 stunden bauchgrummeln der sonderklasse. beide sippen weisen bis kurz vor den blütenkopfstand dekussation auf.
dann hab ich eine in kultur, deren stolonen sich kaum knollig verdicken, da bin ich mir nicht einmal sicher, ob die noch in diese artengruppe gehört, sie hat nur wenige, große, sehr lang gestielte köpfe und verzweigt schon weit unten nach relativ wenigen, deutlich schmalen laubpaaren. auch diese ist sehr locker belaubt.
die "hauptsippe" (siehe foto vom 25.9.2019) braucht viel mobilen stickstoff und wird dabei riesig, dagegen kommt sie ins pannonische trockne arrhenatheretum eingedrungen kaum zur blüte. wohl diese oder eine ähnliche hab ich unlängst auf einem alluvion der march bei hohenau gesehen, dort sehr vital.

dann gibt´s die gewerblich bzw. landwirtschaftlich angebauten dick- und stauch- und verzweigtknolligen (weiß und rötlich kenn ich aus dem handel) topinamburs mit (weitgehend) wechselständigem laub, sehr blattreich, alles sehr haarig, die blätter im herbst oben besonders gedrängt, und nur große pflanzen schießen bei kurztagbedingungen im späten herbst aus dieser pseudorosette, um grad noch vor der kälte unspektakulär zu blühen mit nicht besonders großen köpfen. diese scheinen zum essen bekömmlicher zu sein (sonst würdens wahrscheinlich nicht verbreitet verkauft werden). ich hab sie nicht so gern, weil sie schwerer zu putzen sind und schirche krautstaudn sind.

gemüsemäßig praktisch ist bei topinambur, dass man sie von oktober bis märz jederzeit aus dem boden nehmen kann, sofern es sich um einen "mediterranen" winter - wie zuletzt oft - handelt, soll heißen boden nicht gefroren und keine schneedecke. der nachteil ist, dass die knollen sehr schnell wasser verlieren und schrumpeln, kein vergleich mit erdäpfeln. bei den bei mir anfallenden knollenmassen ist sorgsames rausholen und zusammenhäufen notwendig, um nicht so viel ausreißarbeit im nächsten gartenjahr im beet zu haben. wenn man die haufen am beetrand ein wenig einsenkt und mit laub oder so abdeckt, stehen sie besonders leicht für winterlichen ernteeinsatz zur verfügung. die knollen sind besonders frosttolerant.

vom wuchs sind die schlankknolligen und die dickknolligen stark verschieden: während die dünnen schönen durch relativ lange stolonen (die dann zwischen mutterpflanze und neuer knolle absterben) rasig und im garten ungemein invasiv wachsen, bleiben die dickknolligen schirchen mit äußerst kurzen stolonen gedrängt horstig und sind so relativ artig.
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Helianthus tuberosus s.l. mit hellen, schlanken Knollen wie in Olivers Posting. (Sollte eigentlich ein Dahlienbeet sein, aber die gehn im Pannon schlecht und grad im heiß-trockenen 2019.) Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
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Oliver Stöhr
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Re: Topinambur-Kulinarik

Beitragvon Oliver Stöhr » Montag 4. November 2019, 19:57

Lieber Kurt,
danke für die umfassende Ergänzung deiner Erfahrungen mit dem Topinambur!
Beste Grüße
Oliver


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