Gagea minima in Nussdorf-Debant (Osttirol)

= Blütenpflanzen
Oliver Stöhr
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Gagea minima in Nussdorf-Debant (Osttirol)

Beitragvon Oliver Stöhr » Samstag 21. März 2020, 20:31

Liebes Forum!

Die Annahme, dass ich meine Heimatgemeinde Nussdorf-Debant in botanischer Hinsicht schon in- und auswendig kenne, habe ich heute zähneknirschend, aber dennoch mit Freude, verworfen. Grund hierfür ist ein schöner Fund von Gagea minima, den ich im Zuge eines kurzen Spazierganges am Ortsrand von Debant in einem eingefriedeten Bauerngarten auf rd. 745 msm tätigen konnte. Der Garten dürfte für private Zwecke dem Hackfruchtanbau (Zwiebel, Lauch, Kartoffel etc.) dienen, zumindest schaut der gesamte Pflanzenbewuchs ("Unkrautflora") danach aus. Begleitpflanzen sind u.a. Lamium purpureum, Capsella bursa-pastoris und Stellaria media, Zierpflanzen sind nicht vorhanden.

Gefunden habe ich in diesem Garten 7 blühende Pflanzen dieses Gelbsterns sowie einige Blattbüschel ohne Blüten. Außerhalb des Gartens konnte ich unter dem Schirm eines Einzelbaumes noch eine weitere generative Pflanze im Knospenstadium sowie ebenfalls einige Blattbüschel sichten.

Der Fund kommt für mich überraschend, zumal in der Literatur bisher keine Angaben für ganz Osttirol verzeichnet waren. Allerdings habe ich die Art schon wenigen Jahren einmal nahe der Bahn an einem Wegrand nahe Dölsach angetroffen, wobei der Status dieses Fundes für mich bisher nicht klar war, zumal hierbei eine Verschleppung nicht auszuschließen war. Bei dem heute gefundenen Vorkommen glaube ich nicht mehr an eine Verschleppung (bzw. an ein adventives, unbeständiges Vorkommen).

Gagea minima gilt in Österreich als selten und wird für das Pannonikum, das südöstliche Vorland und die westlichen Alpen als gefährdet angeführt. Laut EFÖLS kommt die Art in B, W (ausgestorben), N, St, K, S sowie in N-Tirol vor. In Nordtirol wurde die Art durch Zidorn & Spitaler (2006) in den Kitzbühlerer Alpen wiedergefunden, zuvor galt die Art für dieses Gebiet als ausgestorben (vgl. https://www.zobodat.at/pdf/BERI_93_0039-0042.pdf). Für Kärnten liegt eine ältere Publikation von Prugger (1983) vor, der u.a. erwähnt, dass die Art in Westkärnten ausdünnt (vgl. https://www.zobodat.at/pdf/CAR_173_93_0119-0122.pdf). Dennoch dürfte das Areal via Kärnten nach Osttirol hereinreichen, da die Art z.B. in Südtirol gar nicht nachgewiesen ist. U.a. hat Schneeweiß (1999) die Art in Oberkärnten im Drautal gefunden (vgl. https://www.zobodat.at/pdf/Wulfenia_6_0003-0009.pdf).

Von den anderen heimischen Gagea-Arten ist dieser Gelbstern gut durch schmale, sehr zarte und nicht hohle Grundblätter, kahle Blütenstiele und spitze Perigonblätter zu unterscheiden. Die ganze Pflanze wirkt sehr zerbrechlich, Einzelindividuen in dichterer Vegetation kann man sicher leicht übersehen. Hinzu kommt die frühe Blütezeit, sodass die Art trotz breiter Seehöhenamplitude (collin bis alpin nach EFÖLS) und breitem Standortsspektrum (Gebüsche, Waldränder, Lägerfluren lt. EFÖLS, aber offerbar auch Gärten/Äcker und Wegränder) wohl noch unterkartiert sein dürfte.

Viele Grüße
Oliver
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Re: Gagea minima in Nussdorf-Debant (Osttirol)

Beitragvon Jürgen Baldinger » Sonntag 22. März 2020, 08:08

Feiner Fund, Oliver, sehr schön.
"(...) gib ihnen noch zwei südlichere Tage (...)"

kurt nadler
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Re: Gagea minima in Nussdorf-Debant (Osttirol)

Beitragvon kurt nadler » Sonntag 22. März 2020, 08:27

wir haben auch vorgestern am letzten schönwettertag 200 oder 300 m vom haus entfernt einen bislang unbemerkten gagea-standort entdeckt, mischbestand villosa - pratensis (viewtopic.php?f=23&t=2008). bei den heutigen nachbestimmungsversuchen lese ich mich grad in die gagea-merkmale ein.

bei der gelegenheit eine frage zu minima: ist fischadler-angabe der "kräftig purpurnen" jugendblattbasis falsch, nicht präzis oder muss man da ganz an die erdoberfläche gehen? (flora-nhm zeigt sie bodennah.)

Oliver Stöhr
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Re: Gagea minima in Nussdorf-Debant (Osttirol)

Beitragvon Oliver Stöhr » Samstag 9. April 2022, 16:55

Gestern habe ich in einem Auwaldrest in Dölsach erneut Gagea minina gefunden - ganz zu meiner Freude noch dazu in durchwegs schönen Beständen, die nun das vermutete Indigenat der Art in Osttirol absichern. Die Vorkommen liegen zum einen mitten im Auwald, wo die Pflanzen jedoch meist vegetativ sind, und zum anderen in einer Kuhweide am Auwaldrand, wo die Pflanzen reichlich blühen. Begleitarten u.a. Chrysosplenium alternifolium, Adoxa moschatellina, Aegopodium podagraria, Urtica dioica, Ranunculus ficaria, Veronica sublobata und Gagea lutea.
Viele Grüße
Oliver
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