Seite 1 von 6

Stellaria ruderalis

Verfasst: Sonntag 5. April 2020, 19:19
von Michael Hohla
Liebe Leute,
ich war heute ein Bisserl Leischen (war aber brav, hab andere Leute nicht einmal angeschaut! ): Bin das untere Inntal abgefahren.
In jedem Quadranten zwischen Braunau und Schärding gibt es nun Nachweise von Stellaria ruderalis (http://www.preslia.cz/P194Lepsi.pdf).
Die Anzahl der Staubfäden der Blüten schwankt hier am Inn zwischen 5 und 10, hauptsächlich liegt die Zahl zwischen 6 und 9.
Gut zu sehen auf dem Foto ist die eher gelblichgrüne Farbe der Pflanzen (hier am Straßenrand bei Nöfing/St. Peter am Hart). Stellaria ruderalis bildet immer wieder größere Bestände an grasigen Straßenrändern. Hauptsächlich an den älterern Straßen, die durch die Orte des Inntals führen.
Ich bin mir jetzt sicher, dass im Innviertel Stellaria ruderalis (Ruderalpflanze) häufiger ist als Stellaria neglecta (Auenpflanze).
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Stellaria ruderalis nicht einmal gefährdet ist bei uns (Inntal, und vermutlich auch im Donautal).
Liebe Grüße und eine schöne Karwoche
Michael

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Sonntag 5. April 2020, 19:22
von Michael Hohla
Lieber Kurt (Nadler)!
Ich vermute auch, dass die "Stellaria neglecta", die wir 2019 bei unserer Burgenland-NÖ-Exkursion in der Nähe eures wunderschönen kleinen Weingartens an Wegrändern gesehen haben, Stellaria ruderalis ist.
Bitte prüfe nach.
Danke
Michael

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Sonntag 5. April 2020, 22:22
von Jürgen Baldinger
Feine Sache, Michael. Und ich brauche in jedem Fall die Samenoberfläche zur Unterscheidung von St. media s. str.?

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Sonntag 5. April 2020, 22:42
von Michael Hohla
Lieber Jürgen,
es gibt auch einige andere gute Merkmale.
Bitte siehe den Schlüssel in der Orginalarbeit.
Ciao
Michael

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Montag 6. April 2020, 07:22
von kurt nadler
stimmt, auch wir sollten das "problem" - offenbar noch vor den cerastien - angehn. erste oberflächliche blicke im eigenen hintaus (garten wie auch scherrasen der letzten stapfiapublikation) schaun recht grün und mediös aus; gibt auch noch keine anzeichen für pallida. aber es ist bei uns erst blühbeginn. weiter draußen und breitenbrunn noch nicht geschaut, zumal noch nix da gewesen.
beste grüße und danke für das oö. lebenszeichen!

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Montag 6. April 2020, 08:10
von Jürgen Baldinger
Auf jenen Bestimmungsschlüssel (S. 412f.) habe ich mich bezogen, da wird bei den diakritischen Merkmalen ja nur die Samenoberfläche genannt. Bei den weiteren, nicht-diakritischen wie Pflanzenhöhe, Laubblattform, Stigma gibt es dem Schlüssel zufolge keine eindeutige Abgrenzung zu media. Zudem heißt es: It should be noted that some capsules of S. ruderalis may contain a few seeds that have the same morphology as those of S. media (S. 409).

Wie erkennst Du ruderalis?

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Montag 6. April 2020, 08:12
von Jürgen Baldinger
S. pallida habe ich in den letzten Tagen übrigens mehrfach gefunden (Wien, Klein-Neusiedl, Götzendorf), Kurt.

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Montag 6. April 2020, 08:35
von Michael Hohla
Lieber Jürgen,
bitte entschuldige, ich war gestern schon etwas müde und wollte heute noch ausführlicher auf deine Frage eingehen:

Eine Absicherung der Bestimmung funktioniert über die reifen Samen, das ist schon richtig.
Aber die Ansprache im Gelände wird schon erleichtert durch erstens die größeren Pflanzen im Vergleich zu klassischer Stellaria media s.str.
Und dann für mich entscheidend: die unterschiedliche Anzahl der Staubblätter, die stark variieren, die Zahl bewegt sich hauptsächlich zwischen 6 und 9. Ausreißer haben 10, und auch 3 bis 5 Staubblätter. Dazu kommen Samen (auch im jungen Zustand wie jetzt schon erkennbar) mit spitzen, längeren Warzen.
Stellaria media s.str. hat Großteils 5 Staubblätter, Stellaria neglecta großteils 10.
Gegenüber Stellaria neglecta: Stellaria ruderalis finde ich an Straßen- und Wegrändern, an Gebüschsäumen; Stellaria neglecta im Auwald, aber auch dort an Lichtungen und am Rand von Wegen, aber im Auwald.
Ich hoffe, meine Antwort war für dich/euch OK.
Liebe Grüße
Michael
PS.: Ich habe direkt vor der Haustüre einen Stellaria ruderalis-Bestand im Garten meiner Mutter. Martin Lepsi hat mir die Bestimmung schon im Vorjahr bestätigt, nachdem wir in Vimperk bei der Tagung der Süd.-Böhm. Bot. Ges. darüber gesprochen hatten. Für die Bestätigung schickte ich ihm reife Samen. Es sind genau diese Pflanzen, die mich schon 2007 irritiert hatten durch die nicht "lehrbuchmäßige" und schwankende Anzahl der Staubblätter. Sie sind groß, an schattigeren Orten richtig mastig und gleichen dort Stellaria neglecta (Ich hatte in der Roten Liste OÖ darüber in den Kommentaren geschrieben).
Ich glaubte damals noch an eine Plastizität bzw. Variabilität von St. neglecta. Dass das eine eigenständige Art sein könnte, das war leider (damals) außerhalb meiner Vorstellung.
PPS.: Ich habe Stellaria ruderalis im Innviertel in jenem Gebiet (am unteren Inn) gefunden, in dem es auch verbreitet Stellaria pallida und S. neglecta gibt. Stellaria pallida ist nun ebenfalls schön zu bestimmen.

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Montag 6. April 2020, 12:01
von Jürgen Baldinger
Danke, Michael.

Re: Stellaria ruderalis

Verfasst: Freitag 10. April 2020, 15:06
von kurt nadler
replik hauptsächlich auf michi hohla:

hab heute 10.4.2020 sw-breitenbrunn und thenauriegel besucht und einmal ausschließlich die blütenmerkmale erkundet: in den dorfrasen (insbesondere am gesamten anger der eisenstädterstraße) steht ausschließlich stellaria pallida. wie "gewünscht" zeigen die bestände auch einen von weitem leicht gelblichen eindruck. einzig eine einzige blütenkrone konnte ich dabei finden, winzig im vergleich mit anden stellaria media agg.

außerhalb des orts, wo flurgehölze beginnen, wird die art schnell, aber nicht ganz ausschließlich von stellaria ruderalis (an nitrophilen ruderalsäumen) ersetzt - das entspräche dem, was ich vor "erfindung" der vierten art am ehesten media zugeordnet hätte. staubgefäße 4-11 (oder ich hab mich verzählt), in beständen und auch an einzelpflanzen stets unterschiedlich an der zahl. darüberhinaus unterliegen sie unterschiedlicher zeitlicher entwicklung, d.h. die einen in der blüte sind übers stäuben hinaus, während andere noch geschlossen sind. das macht einen "schirchen, ungeordneten" eindruck.

auch im auartigen unteren eingangsbereich von der bundesstraße zum nsg thenau, wo vor einem jahr die samenbefunde nicht ganz lupenrein waren, gibt es nur ruderalis, wenn man von ein paar pallida absieht.

neglecta und media möchte ich wenigstens vorläufig für das heutige untersuchungsgebiet ausschließen. aber vielleicht gibts nochmals eine überraschung, wenn man die samenmerkmale analysiert.
zwischenzeitlich hat gudula in prellenkirchen unsere hof-/garten-"media" gezählt: 3-10 staubbeutel. es scheint sich abzuzeichnen, dass ruderalis media ins reich der phantome verweist...