Verwilderte Primel-Hybriden

= Blütenpflanzen
Oliver Stöhr
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Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon Oliver Stöhr » Mittwoch 12. April 2017, 22:18

Liebe alle,

da ich letztes Wochenende bei uns in Osttirol ca. 20 Individuen von Primula-Pruhonicensis-Hybriden in einem Waldstück verwildert (und vermutlich auch lokal eingebürgert) angetroffen habe, hier ein paar Infos und auch Fotos zu diesem Thema.

Unter dem Namen Primula-Pruhonicensis-Hybriden werden lt. "Rothmaler" Bd. 5 (2008) die gärtnerischen Primula-Juliae-Hybriden (meist ausgehend von Kreuzungen zwischen P. vulgaris und P. juliae) und die gärtnerischen Primula-Elatior-Hybriden (meist ausgehend von Kreuzungen mit Beteiligung von P. vulgaris, elatior und veris) verstanden, die durch Züchtung / Sortenbildung etc. sehr vielgestaltige und buntkronige Formen umfassen. Die Namensgebung ist m.E. in der Literatur und im Internet aber uneinheitlich bis verwirrend und die genauen Eltern in der Regel nicht nachvollziehbar.

Obwohl man in Gartenkatalogen und im Internet liest, dass sich diese Hybriden "gut verwildern lassen", sind zumindest (eindeutige) Verwilderungen in freier Natur kaum in unserer floristischen Literatur belegt. Ausnahmen dazu, die ich kenne, sind Beiträge aus OÖ (Michael Hohla) und Salzburg (Sabotag-Mitarbeiter), die über solche Formen berichten. Noch in der Neophyten-Liste von Walter et al. (2002) sind diese nicht angeführt, ebenso gibt es auch keinen Hinweis in der EFÖLS 2008. Dabei ist es durchaus spannend, was solche Hybriden u.U. mit unseren heimischen Primeln "anstellen", wenn sie sich mit diesen kreuzen / rückkreuzen würden. Nicht selten wachsen ja die Gartenformen in unmittelbarer Nähe zu unseren heimischen Arten ...

Nachfolgend noch Bilder dazu und zwar zunächst zu den verwilderten Primula-Juliae-Hybriden, gesehen letztes Wochenende in einem Wald nahe Amlach (Osttirol): Die Farbpalette der Kronen reicht von tiefrosa über hellrosa bis gelb (schaut dann wie P. vulgaris aus) und weiß, die Blüten sind in etwa gleich groß wie P. vulgaris oder etwas größer und besitzen wie diese Art keinen Schaft.
Und dann nach diesen 3 Fotos zum Vergleich noch 4 Fotos für Pflanzen, die ich den Primula-Elatior-Hybriden zurechnen würde: die Fotos stammen aus Hallein von der Salzachböschung, wo diese vor acht Jahren nach meinem Dafürhalten ebenso verwildert auftraten. Aufallend ebenso die Buntheit der Kronen, aber die Pflanzen haben deutliche Schäfte und mitunter etwas kleinere Blüten, wodurch sich der Einfluss von P. elatior manifestiert.

Abschließend noch als Preisfrage: Wer kennt solche Verwilderungen?

Viele Grüße
Oliver
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Hermann Falkner
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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon Hermann Falkner » Donnerstag 13. April 2017, 12:56

Hallo Oliver, "stengellose" also +/- Primula "vulgaris"-Hybriden (bei den gärtnerischen Sorten kenn ich mich nicht aus) gibt es in Wien mehrfach, etwa in der Oberen Lobau - dort evtl auch von Besuchern gepflanzt, hält sich aber gut in der Au. Solche "mit Stengel" kenne ich aberaus der Wildnis nicht.
Lg Hermann

Oliver Stöhr
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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon Oliver Stöhr » Freitag 12. März 2021, 12:35

Hiermit wärme ich dieses Thema nochmals auf, da ich vor wenigen Tagen nun Kreuzungen zwischen wilder (indigener) Primula vulgaris und gepflanzten Primula-juliae-Hybriden bei uns in Osttirol an einem Waldrand nahe eines Hauses gesehen habe (am ersten Foto sind alle drei vereint).
Die Kreuzungsprodukte sind intermediär in der Farbgebung, ansonsten ist makroskopisch kein Unterschied zu sehen. Zu den genetischen Folgen auf die Wildpopulation kann ich nichts sagen ...
Viele Grüße
Oliver
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kurt nadler
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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon kurt nadler » Freitag 12. März 2021, 23:24

wie auch immer diese zustandekommen, vulgaris wächst in wien, aber auch am land in ortschaften meines erachtens öfter mehrfärbig als nur gelb, so auch in unseren gärten. dies ist ein dauerhaftes phänomen, und ich wäre nie auf die idee gekommen, dies als hybriden zu werten, sondern als farb-"mutationen", so wie bei portulaca grandiflora oder impatiens glandulifera (wo´s aber auch populationen gibt, die rein kräftig rosa sind).
dass diese allerdings bei den p. vulgaris-wildvorkommen des freilands nicht oder kaum vorkommen, muss einen tatsächlich stutzig machen.
unsere populationen haben auch keine andersfärbigen kreuzungspartner bzw. gar keine, und doch bleiben gewisse prozentsätze immer wieder in ansprechenden, nichtgelben farbspielen - so vom 21.3.2015 aus dem garten der schwiegi in wien-22:
(und ein weitres aus 2016)
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Hermann Falkner
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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon Hermann Falkner » Samstag 13. März 2021, 20:38

Hie haben dann wohl die Bienen fremdbestäubt, aus Nachbars Garten ;-)

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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon Ernst Vitek » Sonntag 14. März 2021, 10:35

Auch in meinem Garten wurden immer wieder geschenkte bunte Primeln ausgepflanzt. Die haben sich dann rasch mit der ebenfalls gepflanzten P. vulgaris (war lokal nicht vorhanden) vermischt. Die bunten Eltern fallen innerhalb kurzer Zeit aus - das Klima ist bei uns in Hagenbrunn sehr pannonisch, starke Winterfröste ohne Schneedecke könnten hier der Faktor sein (die Sommertrockenheit ist es nicht).

Die Mischformen bleiben, es entstehen auch noch bleichere Blütenfarben - event. weitere (Rück-)Kreuzungen mit P. vulgaris. Die Population ist mittlerweile etabliert und hat auch eine benachbarte Gebüschfläche erobert.

Ernst
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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon kurt nadler » Sonntag 14. März 2021, 10:45

du meinst, dass der fortlaufende kontakt zu - anzunehmenderweise hochpolyploiden - hybriden diese bleibenden farbeinschläge in den vulgarispopulationen bewirkt?
da ergeben sich für mich folgende fragen:
* geht das genetisch?
* warum ist da gerade vulgaris so empfänglich hierfür?
in die populationen der "stängeligen" primeln scheints ja keine dauerhafte introgression zu geben.
es wäre interessant, das historisch zu beleuchten: seit wann gibts die mischfarb-vulgaris und seit wann sind die "überzüchteten", bunten gartenprimeln im handel?

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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon Hermann Falkner » Sonntag 14. März 2021, 11:29

Also bei uns im Garten hab ich Primula vulgaris und P. veris aus der Wildnis mitgebracht, und P. vulgaris hat sich sehr bereitwillig mit den schon vorhanden gewesenen "bunten" stängellosen Primeln "verbandelt". (Eine Hybride aus P. veris & vulgaris ist auch mal aufgegangen, aber inzwischen auch schon wieder verschwunden.)
Aus dieser Erfahrung heraus würde ich meinen, dass es sich durchaus um spontane Hybriden handeln kann. Dazu müssen die "bunten" Primeln ja nicht im Garten der Schwiegermutter stehen, der Garten des Nachbarn reicht völlig aus ;-)

Warum gerade P. vulgaris so gern hybridisiert, kann ich dir nicht erklären, aber ich schätze halt mal, dass die den Gartensorten genetisch näher stehen.

Oliver Stöhr
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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon Oliver Stöhr » Sonntag 14. März 2021, 12:05

Danke für eure Rückmeldungen! Schaut nach einem spannenden Thema aus, das man mit genetischen Analysen mal studieren könnte. Interessant wären auch die naturschutzfachlichen Impacts eben auf die Wildpopulationen, v.a. wenn diese wie in Osttirol recht kleinräumig kommen.
Die farblich intermediären Mischlinge habe ich übrigens bisher nur in der engsten Kontaktzone gefunden, aber genetische Effekte könnten räumlich weiter reichen ...
Viele Grüße
Oliver

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Re: Verwilderte Primel-Hybriden

Beitragvon kurt nadler » Sonntag 14. März 2021, 13:04

zum verwandten thema vulgaris + veris bestätige ich das von hermann gesagte. wie schon einmal vor wenigen jahren im forum erwähnt und illustriert, hat auch dieser winzige stadt-vorgarten etwas abseits des langjährigen, bunten vulgaris-bestands eine hybridpopulation vulgaris x veris in verschiedensten intermediären formen, die aber allesamt gelb blühen (so wie man sie in der "natur" draußen auch antrifft). die vor vielen jahren abseits gepflanzte einzelne veris samt vielleicht einzelnen artenreinen nachkommen verschwand dabei zuletzt über etliche jahre (die hybriden blieben). erst 2020 scheint wieder ein reines individuum aufgekommen zu sein - aus einem schlafenden samen, was für mich weniger vorstellbar ist, oder als rückschlag aus einer hybride, wobei ich über zu wenig genetikwissen verfüge, ob das überhaupt geht. die dritte, mäßig realistische, aber wohl sehr plausible möglichkeit, die mir einfällt, ist, dass die pflanze direkt von den veris-eltern abstammt, aber über jahre nicht blühfähig war und erst 2020 erstmals "florierte".

die 2 kleinpopulationen stehen etwa 4 m voneinander entfernt, veris und mischlinge im gehölzunterwuchs, vulgaris ohne bestockung im rasen bzw. unter blütenstauden.

es gibt überdies familiäre mutmaßungen, der bunte vulgarisbestand "sei aus gepflanzten hybriden", quasi durch rückschlag, entstanden. den gab es angeblich vor etlichen jahrzehnten noch nicht. ich kann mir das nicht vorstellen und mutmaße die ausbreitung der "bunten vulgaris" durch direkten transfer oder jenen von samen, kann mich aber auch gravierend täuschen.

ad oliver: ja, primeln sind offensichtlich spannend bzw. werden immer spannender mit dem, was im forum an informationen aufscheint.


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