Thesium dollineri
- Stefan Lefnaer
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Thesium dollineri
Liebes Forum,
auf einer trockenen Weg-/Ackerböschung nächst Schleinbach fand ich heute neu für den Quadranten 7564-4 Thesium dollineri (Dolliner-Leinblatt), ein Sandelholzgewächs (Santalaceae). Im Weinviertel findet man relativ häufig zwei andere Leinblätter, nämlich Th. linophyllon und Th. ramosum. Th. dollineri hingegen ist deutlich seltener anzutreffen. Im folgenden möchte ich einige Fotos zeigen und die Unterscheidungsmerkmale diskutieren. Die meisten Thesium-Arten in Österreich weisen unterhalb der Blüten/Früchte drei Hochblätter auf. Die zwei seitlichen sind Vorblätter und sitzen tatsächlich unterhalb der Blüte. Das mittlere ist ein Deckblatt, das an der Basis des Blütenstiels sitzt, aber mit diesem verwachsen ist und daher scheinbar auch direkt unterhalb der Blüte entspringt:
Kennzeichnend für Th. dollineri ist, dass das Deckblatt viel länger als der 1-3 mm lange Blütenstiel ist. Die langen Deckblätter dominieren den Blütenstand und stehen teilweise "kammartig" ab. Der Blütenstand ist eine Traube, das als Unterscheidungsmerkmal zu Th. linophyllon, bei dem der Blütenstand eine Thyrse ist.
Die Blüten sind über den Hochblättern ungestielt, das Perigon ist fünfzipfelig:
Zur Fruchtzeit rollt sich das Perigon ein und ist dann kürzer als die eigentliche Frucht (hier bei der unreifen Frucht noch nicht deutlich). An der Basis der Frucht bildet sich ein gelbliches, für Ameisen schmackhaftes Elaioson. Die dadurch angelockten Ameisen tragen die Diasporen in ihren Bau, am Weg verlorene oder des Elaoisoms erleichterte Früchte tragen zur Ausbeitung der Art bei. Laut Exkursionsflora soll die Frucht netznervig sein, was in diesem frühen Stadium anscheinend noch nicht erkennbar ist.
Die Laubblätter sind laut Schlüssel einnervig. Allerdings weist die Art eigentlich nur Hochblätter und gar keine Laubblätter auf.
Auch der Habitus ist unverkennbar: aus dem Hypokotylkopf wachsen sternförmig zahlreiche unverzweigte, niederliegende bis aufsteigende Blühtriebe. Laut Exkursionsflora machen dies nur überwinternde Pflanzen, während bereits im Herbst zum Blühen kommende Individuen im oberen und auch unteren Teil des Hauptsprosses lange, blühende Seitenäste entwickeln. Ich selber habe eine solche Pflanze noch nie beobachtet, vielleicht ist der hellbraune, abgestorbene Spross am ersten Foto der Rest einer solchen Herbstinfloreszenz. Beide Formen wurden auch als Unterarten beschrieben, dürften aber nur jahreszeitliche Modifikanten sein.
Schöne Grüße,
Stefan
auf einer trockenen Weg-/Ackerböschung nächst Schleinbach fand ich heute neu für den Quadranten 7564-4 Thesium dollineri (Dolliner-Leinblatt), ein Sandelholzgewächs (Santalaceae). Im Weinviertel findet man relativ häufig zwei andere Leinblätter, nämlich Th. linophyllon und Th. ramosum. Th. dollineri hingegen ist deutlich seltener anzutreffen. Im folgenden möchte ich einige Fotos zeigen und die Unterscheidungsmerkmale diskutieren. Die meisten Thesium-Arten in Österreich weisen unterhalb der Blüten/Früchte drei Hochblätter auf. Die zwei seitlichen sind Vorblätter und sitzen tatsächlich unterhalb der Blüte. Das mittlere ist ein Deckblatt, das an der Basis des Blütenstiels sitzt, aber mit diesem verwachsen ist und daher scheinbar auch direkt unterhalb der Blüte entspringt:
Kennzeichnend für Th. dollineri ist, dass das Deckblatt viel länger als der 1-3 mm lange Blütenstiel ist. Die langen Deckblätter dominieren den Blütenstand und stehen teilweise "kammartig" ab. Der Blütenstand ist eine Traube, das als Unterscheidungsmerkmal zu Th. linophyllon, bei dem der Blütenstand eine Thyrse ist.
Die Blüten sind über den Hochblättern ungestielt, das Perigon ist fünfzipfelig:
Zur Fruchtzeit rollt sich das Perigon ein und ist dann kürzer als die eigentliche Frucht (hier bei der unreifen Frucht noch nicht deutlich). An der Basis der Frucht bildet sich ein gelbliches, für Ameisen schmackhaftes Elaioson. Die dadurch angelockten Ameisen tragen die Diasporen in ihren Bau, am Weg verlorene oder des Elaoisoms erleichterte Früchte tragen zur Ausbeitung der Art bei. Laut Exkursionsflora soll die Frucht netznervig sein, was in diesem frühen Stadium anscheinend noch nicht erkennbar ist.
Die Laubblätter sind laut Schlüssel einnervig. Allerdings weist die Art eigentlich nur Hochblätter und gar keine Laubblätter auf.
Auch der Habitus ist unverkennbar: aus dem Hypokotylkopf wachsen sternförmig zahlreiche unverzweigte, niederliegende bis aufsteigende Blühtriebe. Laut Exkursionsflora machen dies nur überwinternde Pflanzen, während bereits im Herbst zum Blühen kommende Individuen im oberen und auch unteren Teil des Hauptsprosses lange, blühende Seitenäste entwickeln. Ich selber habe eine solche Pflanze noch nie beobachtet, vielleicht ist der hellbraune, abgestorbene Spross am ersten Foto der Rest einer solchen Herbstinfloreszenz. Beide Formen wurden auch als Unterarten beschrieben, dürften aber nur jahreszeitliche Modifikanten sein.
Schöne Grüße,
Stefan
- Norbert Sauberer
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Re: Thesium dollineri
Ahoi Stefan!
Thesium dollineri sieht man in der Tat sehr viel seltener als Thesium ramosum. Von der Wuchsweise sind diese zwei Arten jedoch sehr ähnlich. Thesium linophyllum lässt sich dahingegen aufgrund des "rasigen" Wuchses mit Ausläufern sehr leicht von den zwei oben genannten Arten unterscheiden.
vg Norbert
Thesium dollineri sieht man in der Tat sehr viel seltener als Thesium ramosum. Von der Wuchsweise sind diese zwei Arten jedoch sehr ähnlich. Thesium linophyllum lässt sich dahingegen aufgrund des "rasigen" Wuchses mit Ausläufern sehr leicht von den zwei oben genannten Arten unterscheiden.
vg Norbert
- Stefan Lefnaer
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Re: Thesium dollineri
Ich war heute am Dernberg bei Haslach (Quadrant 7363-3), einem nicht nur floristisch sondern auch historisch hochinteressanten ehemaligen mittelalterlichen Hausberg im Weinviertel. Der Naturschutzbund NÖ hat unlängst Teile davon gekauft um die spezielle Flora zu erhalten. Auf den schütteren Trockenrasen fand ich eine kleine Thesium dollineri-Polulation. Bei allen Pflanzen waren die Blüten/Früchte sehr kurz gestielt und die Deckblätter sehr lang. Einige hatten - besonders oben - aber auch etwas länger gestielte Blüten mit kürzeren Deckblättern, die in Richtung Th. ramosum vermittelten. Hat jemand derartiges auch schon einmal beobachtet?
Ich fand Thesium dollineri letzte Woche in Quadrant 7664-1 und heute am Abend auch in Quadrant 7563-4. Entweder ist die Art nicht so selten oder sie findet heuer besonders gute Wachstumsbedingungen vor. Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht bzw. heuer schon Funde gemacht? Ich habe jedenfalls überall einen Zweig für das WU mitgenommen, damit die Verbreitung besser belegt ist.
Hier noch ein paar Fotos von den Pflanzen vom Dernberg:
Schöne Grüße,
Stefan
Ich fand Thesium dollineri letzte Woche in Quadrant 7664-1 und heute am Abend auch in Quadrant 7563-4. Entweder ist die Art nicht so selten oder sie findet heuer besonders gute Wachstumsbedingungen vor. Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht bzw. heuer schon Funde gemacht? Ich habe jedenfalls überall einen Zweig für das WU mitgenommen, damit die Verbreitung besser belegt ist.
Hier noch ein paar Fotos von den Pflanzen vom Dernberg:
Schöne Grüße,
Stefan
- Stefan Lefnaer
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Verbreitung von Thesium dollineri und Th. ramosum im Weinviertel
Liebes Forum,
ich habe mich nun mit Prof. Niklfeld abgestimmt und zusammen mit den bisherigen Kartierungsdaten ergibt sich folgendes Bild, das ich hier wiedergeben darf: "Thesium ramosum ist im Weinviertel fast ganz auf dessen östlichen (vor allem südöstlichen) Teil samt Marchfeld beschränkt. Erst weit entfernt ganz im Westen, nämlich im untersten Kamptal um Langenlois, gibt es wieder Angaben, zu denen dann auch die bei Janchen zusätzlich genannten Orte Krems und Eggenburg passen." Ich habe dies in der folgenden Karte eingezeichnet, wobei fehlende Quadrantenangaben großzügig extrapoliert wurden:
Jurasky erwähnt in seiner Flora des westlichen Weinviertels nur Th. dollineri und T. linophyllon, was sichtlich der tatsächlichen Situation entspricht.
"Thesium dollineri ist insgesamt deutlich seltener, aber im zentralen und nördlichen Weinviertel gibt es wirklich ein Gebiet, wo nur Th. dollineri, nicht aber Th. ramosum vorkommt." Ich habe auch hierzu eine Karte erstellt: die blauen Flächen stellen die bisher bekannten Vorkommen von Th. dollineri dar, die gelbe Fläche habe ich aufgrund meiner Funde in sechs Quadranten (7363-3, 7463-1, 7464-3, 7563-4, 7564-4, 7664-1) extrapoliert. Vermutlich kommt die Art auch um Laa an der Thaya und Hollabrunn vor, das muss aber erst belegt werden.
Schöne Grüße,
Stefan
ich habe mich nun mit Prof. Niklfeld abgestimmt und zusammen mit den bisherigen Kartierungsdaten ergibt sich folgendes Bild, das ich hier wiedergeben darf: "Thesium ramosum ist im Weinviertel fast ganz auf dessen östlichen (vor allem südöstlichen) Teil samt Marchfeld beschränkt. Erst weit entfernt ganz im Westen, nämlich im untersten Kamptal um Langenlois, gibt es wieder Angaben, zu denen dann auch die bei Janchen zusätzlich genannten Orte Krems und Eggenburg passen." Ich habe dies in der folgenden Karte eingezeichnet, wobei fehlende Quadrantenangaben großzügig extrapoliert wurden:
Jurasky erwähnt in seiner Flora des westlichen Weinviertels nur Th. dollineri und T. linophyllon, was sichtlich der tatsächlichen Situation entspricht.
"Thesium dollineri ist insgesamt deutlich seltener, aber im zentralen und nördlichen Weinviertel gibt es wirklich ein Gebiet, wo nur Th. dollineri, nicht aber Th. ramosum vorkommt." Ich habe auch hierzu eine Karte erstellt: die blauen Flächen stellen die bisher bekannten Vorkommen von Th. dollineri dar, die gelbe Fläche habe ich aufgrund meiner Funde in sechs Quadranten (7363-3, 7463-1, 7464-3, 7563-4, 7564-4, 7664-1) extrapoliert. Vermutlich kommt die Art auch um Laa an der Thaya und Hollabrunn vor, das muss aber erst belegt werden.
Schöne Grüße,
Stefan
- Norbert Sauberer
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Re: Thesium dollineri
Super! Tolle Funde, sehr schöne Fotos und interessante biogeographische Informationen. Danke!
- Stefan Lefnaer
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Thesium dollineri - Herbstvariante
Heute fand ich am Latschenberg bei Altenmarkt im Thale (Bezirk Hollabrunn) fruchtende Individuen von Thesium dollineri, bei denen es sich wohl um die bereits im Herbst blühende Variante handelt. Sie waren mehr oder weniger aufrecht, meist verzweigt und wiesen am Stängelgrund Knospen auf, aus denen vermutlich die sternförmigen, unverzweigten Seitenäste entstehen werden, die im nächsten Frühling nochmals zur Blüte kommen. Siehe dazu das Foto aus Schleinbach oben, auf dem die aufrechte, verzweigte und vertrocknete Infloreszenz noch zwischen den sternförmigen, unverzweigten Ästen erkennbar ist. Ich werde mir die Pflanzen jedenfalls nächstes Jahr wieder ansehen um zu sehen wie sie sich entwickeln. Da die Individuen nächst den Pflanzen auftreten die ich dort im Frühling fand, stützt dies die Erkenntnis, dass es sich nicht um zwei genetisch getrennte Sippen ("Th. d. subsp. simplex") handelt. Hier noch Fotos:
Schöne Grüße
Stefan
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Stefan
- Stefan Lefnaer
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Thesium dollineri - Frühlingsvariante
Heute fand ich Am Hirschen bei Unterolberndorf wieder eine kleine Thesium dollineri-Population. 11 Individuen konnte ich zählen, es dürften aber noch ein paar mehr vorhanden gewesen sein.
Bei ein paar Individuen war noch der abgestorbene Spross vom letzten Herbst (siehe den vorigen Eintrag) vorhanden. Ich habe mir daher erlaubt eine solche Pflanze komplett als Herbarbeleg mitzunehmen. Hier noch Fotos, wo man den alten abgestorbenen aufrechten sowie die neuen seitlichen Sprosse schön erkennen kann:
PS: meine Thesium dollineri-Funde bis 2017 kann man übrigens hier finden: Stefan Lefnaer, Floristische Neuigkeiten aus dem niederösterreichischen Weinviertel und Wien nördlich der Donau, in: Neilreichia 9: 133–142 (2018)
Bei ein paar Individuen war noch der abgestorbene Spross vom letzten Herbst (siehe den vorigen Eintrag) vorhanden. Ich habe mir daher erlaubt eine solche Pflanze komplett als Herbarbeleg mitzunehmen. Hier noch Fotos, wo man den alten abgestorbenen aufrechten sowie die neuen seitlichen Sprosse schön erkennen kann:
PS: meine Thesium dollineri-Funde bis 2017 kann man übrigens hier finden: Stefan Lefnaer, Floristische Neuigkeiten aus dem niederösterreichischen Weinviertel und Wien nördlich der Donau, in: Neilreichia 9: 133–142 (2018)
- Stefan Lefnaer
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Re: Thesium dollineri
Liebe Leute,
die Thesium dollineri-Saison ist eröffnet! Heute fand ich am Dornberg bei Maisbirbaum für heuer meine ersten und sogar schon blühenden Individuen dieser anscheinend gar nicht so seltenen Art. Leider wurde der schöne Trockenhang kürzlich aufgeforstet und die Population wird vermutlich daher bald Geschichte sein. Man erkennt jedenfalls schön die abgestorbenen aufrechten Triebe vom letzten Herbst und die neuen seitlichen Triebe:
Schöne Grüße
Stefan
die Thesium dollineri-Saison ist eröffnet! Heute fand ich am Dornberg bei Maisbirbaum für heuer meine ersten und sogar schon blühenden Individuen dieser anscheinend gar nicht so seltenen Art. Leider wurde der schöne Trockenhang kürzlich aufgeforstet und die Population wird vermutlich daher bald Geschichte sein. Man erkennt jedenfalls schön die abgestorbenen aufrechten Triebe vom letzten Herbst und die neuen seitlichen Triebe:
Schöne Grüße
Stefan
- Stefan Lefnaer
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Heute habe ich wieder eine kleine Population (rund ein Dutzend Individuen) bei Höbersbrunn in Quadrant 7465-3 gefunden. Das ist bisher mein östlichster Quadrant.
Schöne Grüße
Stefan
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- Stefan Lefnaer
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Heute wieder ein Einzelexemplar auf einem Halbtrockenrasen bei Martinsdorf in Quadrant 7565-2. Das ist nun wieder eine Quadrantenspalte weiter östlich. Laut Bodenkarte übrigens ein "kalkhaltiger Kulturrohboden aus Löß", stark kalkhaltig, Bodenreaktion alkalisch.
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