Ranunculus polyanthemophyllus in Dölsach (Osttirol)

= Blütenpflanzen
Oliver Stöhr
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Ranunculus polyanthemophyllus in Dölsach (Osttirol)

Beitragvon Oliver Stöhr » Freitag 15. Mai 2020, 20:50

Liebes Forum!

Innerhalb der Hahnenfüße ist das Ranunculus polyanthemos-Aggregat eine gut abgegrenzte, aber in sich taxonomisch kritische Gruppe. Von den in der EFÖLS angegeben Taxa diese Gruppe (R. serpens, R. polyanthemos, R. polyanthemophyllus, R. nemorosus und R. polyanthemoides) möchte ich R. polyanthemophyllus hier vorstellen, zumal ich heute eine ansehnliche Population dieser Art im wechseltrockenen Übergangsbereich einer Hangvernässung zu einem Halbtrockenrasen nahe Dölsach gefunden habe. Bereits in den letzten Jahren habe ich diese Art mehrfach, aber nie recht individuenreich in Osttirol gefunden.

Die Verbreitung von R. polyanthemophyllus in Österreich gilt als unzureichend erforscht, dementsprechend lückig schaut auch das Bild in der Verbreitungskarte für die neue Rote Liste aus. Allerdings gibt es mit Ausnahme von Salzburg und Wien schon Angaben aus allen Bundesländern.

Nach meinem Dafürhalten ist diese rel. hochwüchsige Art nicht bestimmungskritisch, wenn man sie einmal zu Gesicht bekommen hat und das nachfolgende Merkmalsset beachtet: Diagnostisch wichtig sind die tiefschnittigen Grundblätter, deren Abschnitte sich teilweise decken, die stielartige Verschmälerung des Grundblatt-Mittelabschnittes und die (bereits jung) stark eingerollten Nüsschen-Schnäbel. Die Zugehörigkeit zum Ranunculus polyanthemos-Aggregat wird durch die gefurchten Blütenstiele dokumentiert.

In Osttirol habe ich die Art bisher in Halbtrockenrasen und trockenen Säumen und eben in wechseltrockenen Situationen bis in die mittlere Montanstufe vorgefunden. Auch entlang der Bahn im Lienzer Becken tritt sie in mager-trockenen Wiesenresten auf.

Vielleicht möchtet ihr - gerade jetzt zur Blütezeit - auf diese wenig bekannte Art achten; ich könnte mir vorstellten, dass sie auch in Salzburg und Wien zu finden ist ...

Viele Grüße
Oliver
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Re: Ranunculus polyanthemophyllus in Dölsach (Osttirol)

Beitragvon Norbert Sauberer » Freitag 15. Mai 2020, 21:20

Danke Oliver für diese wunderbare Fotoübersicht. Ich habe diese Art noch nie bewusst wahrgenommen. Werde nun noch genauer auf die Unterschiede im Vergleich zu den ähnlichen Arten achten.

kurt nadler
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Re: Ranunculus polyanthemophyllus in Dölsach (Osttirol)

Beitragvon kurt nadler » Freitag 15. Mai 2020, 22:32

bei uns ersetzt ja eine polyanthemos agg.-sippe, die nicht nemorosus ist, acris in den etwas "feuchteren" wiesen (bis gestern staubtrockener beton). die hab ich auch im eigenen hof, aber zufriedenstellend bestimmen ließ sie sich aus meiner sicht nie. vielleicht geben nun deine infos einen anstoß. wobei ich aber davon ausgehen muss, dass die pannonische tieflandssippe doch wieder ein bissl was andres ist als deine.

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Michael Hohla
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Re: Ranunculus polyanthemophyllus in Dölsach (Osttirol)

Beitragvon Michael Hohla » Samstag 16. Mai 2020, 14:52

Lieber Oliver, die Osttiroler Pflanzen sind ident mit den Pflanzen an Salzach, Inn, Donau und Alz in Oberösterreich und Bayern. Merkwürdig ist jedoch die Tatsache, dass an ein und derselben Pflanze auch meistens mustergültige R. nemorosus-Blätter zu finden sind und auch R. nemorosus oft in der Nähe wächst. Ist das bei dir auch so?
LG, Michael

Oliver Stöhr
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Re: Ranunculus polyanthemophyllus in Dölsach (Osttirol)

Beitragvon Oliver Stöhr » Samstag 16. Mai 2020, 20:54

Lieber Michael,

ja, nemorosus-ähnliche Grundblätter sehe ich in Osttirol auch fallweise an den Pflanzen des R. polyanthemophyllus, aber insgesamt eher selten und dann auch nur als 1-2 Blätter neben etlichen anderen typisch ausgebildeten polyanthemophyllus-Blättern, die in der Grundblattrosetten dann deutlich vorherrschen. Gerade heute habe ich am Fuß der Lienzer Dolomiten wieder R. polyanthemophyllus gefunden: anbei zwei Grundblattrosetten aus dem Bestand in situ, in denen man zahlreiche typische Blätter erkennt sowie ein im Vergilben begriffenes Blatt, das in Richtung nemorosus tendiert (etwas versteckt rechts unten).

Ich zweifle aber nicht an R. polyanthemophyllus, da bei nemorosus, den ich gut kenne, doch die Mehrzahl der Grundblätter weniger tief geteilt ist. Hybriden zwischen den beiden Arten soll es aber lt. Baltisberger auch geben ...

Im Herbarium Jacq gibt es übrigens schon Belege von R. polyanthemophyllus aus Wien; Fotos sind aber leider nicht verfügbar.

Viele Grüße
Oliver
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Christian Gilli
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Re: Ranunculus polyanthemophyllus in Dölsach (Osttirol)

Beitragvon Christian Gilli » Montag 25. Mai 2020, 21:20

Ich darf hier eine mail von Walter Gutermann [keine leichte Kost ;) ] einstellen die zumindest für mich wieder mal erleuchtend war:

"Lieber Christian,

dass dir die Sippe schleierhaft ist kann ich (in Hinblick auf deinen geofloristischen Erfahrungshorizont - das ist nicht negativ gemeint) nachvollziehen (bezüglich deines gesunden Urteils über die Karte siehe weiter unten); die verkürzten/enden Kompilationen der Floren sind natürlich auch nicht hilfreich oder/und führen zu Komplikationen.

R. polyanthophyllus ist eine heliophile Art wechselfeuchter Wiesen bis Halbtrockenrasen, v. a. im südwestlichen, teilweise submediterranen Mitteleuropa und außerhalb des polyanthemos-Areals; sie spielen dort den counterpart zum nemorosus/tuberosus, dieser "allgegenwärtig" an mesophilen Halbschattstandorten. Ebendort, im feucht(bis nass)en, betont montanen Schattbereich: serpens, der abgesehen von Hybriden mit nem im ökol. Grenzbereich, durch Blattform & Stgl-bewurzelung eher problemloses Brüderchen zu nem ist. Zu dem phyllus sind die Vorarlberger (!! - ich hab's damals z. B. in den Rheinwiesen zum Bodensee schön vorweisen können) und wohl auch die (meisten) Tiroler Funde zuzuordnen; auch die Kärntner sind wohl richtig (! vom Süden her; phyllus ist auf der Alpensüdseite nicht selten). Die übrigen Punkte auf der AK sind mir nahezu alle zweifelhaft, denn: ... ... so wie der phyllus stärker zerteilte Blattspreiten mit nem-Nüsschen verbindet ...

... so zeigt R. polyanthemoides vergleichbares Blattwerk (dies aber deutlicher nem-artig) mit typischen mos-Nüsschen, +/- konstant so zumindest im W (Frankreich: von hier beschrieben, und im Rheingebiet), beides wieder klimatisch wärmebegünstigte außerhalb des natürlichen mos-Areals.

Sobald man sich diesem nähert bzw. in Gebiete kommt, wo nem und mos sich überschneiden, wird es brenzlich: da muss man sehr genau den Blattzyklus (Rosette!) beachten (Erstlinge weniger geteilt, Endlinge entsprechend extrem) und schauen, wer da in der Gegend wächst: Hybride und Hybridogene (moides ist wohl ursprünglich ein solcher) schauen bezüglich der Beblätterung einmal so oder so aus, d. h. dass mit einer "zufälligen" Blattform bestimmungsgemäß so ziemlich alles herauskommen kann, eben auch sog. "phyllus" - aber bei diesen (?sekundären) "moides", v. a. bei unmittelbaren Kontakten nem/mos sind die Nüsschenformen variabel, also oft nem-artig und nur zum Teil mos-artig, wie auch der Blattzyklus in den Population entprechend variiert. Übrigens: auch bei den Nüsschen ist der zeitliche "Gestaltwandel" zu beachten! (Einzelpflanzen sind also m. E. nicht rational zuordenbar.)

[A-propos Blattindex: ist zur Unterscheidung hilfreich, müsste aber doppelt sophisticated sein: "einfacher" Teilungsindex ist zu wenig, und die Vergleichsblätter müssten morphologisch gleichwertig sein: Zyklus]

Mir ist im Osten noch keine eindeutige und konstante, ausgedehnte phyllus-Population untergekommen. Viele wenn nicht alle Angaben sind wohl solche (ältere oder jüngere) Hybrid(ogen)-Pflanzen, die morphologisch eher zu diesen "östlichen" moides-Ranunkeln gezählt werden sollten. (Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Grassaatenmischungen, die womöglich auf französischen Import zurückgehen.)

[Zu den oT-Pflanzen von Oliver Stöhr: wenn auch die reifen Nüsschen - einheitlich - lange und eingerollte Schnäbel behalten, ist überhaupt nichts gegen phyllus zu sagen. -- Was am Inn vorkommt, weiß ich nicht.]

Objektiv betrachtet (und abgesehen von der moides-Problematik selbst) könnte man einer UA-Taxonomie durchaus zustimmen, bei der allerdings die "bessere" ("separatere") Stellung von mos einerseits, von nem/serp andererseits schwindet (allerdings im agg. auch, wenn man die Besonderheiten von "moides" nicht herausstellt), zudem aber die weiteren (thomasii, sylviae, meyerianus ...) aus dem Gesichtsfeld verliert, die ihrerseits ein Verhältnis zu einer solchen Gegenüberstellung haben sollten. Subjektiv möchte ich doch bei den agg-Arten bleiben, auch wenn (fertile) Bastardbildung (mit F2,3) möglich ist. Durch ökologische Trennung bleiben die Sippen auch weiträumig intakt; die ominösen "moides" (oder pseudo-phyllus) scheinen nicht wirklich populationsbildend zu sein. Ein Teil davon (?!Seewinkel) sind vermutlich (sage ich) fehlbestimmte mos, deren Erstlingsblätter nicht immer wie die Vorbild-Abbildungen aussehen, und standörtlich bedingt manchmal nur zögerlich Folgeblätterer ausbilden. (Irgend ein Alter hat mal auch eine mos-var. latisectus beschrieben was auf solche Hb-Ex zuträfe; ich weiß aber nicht mehr, ob das vielleicht eigentlich der meyerianus war?)

Für unsere Zwecke: seriöse Überprüfung der "östlichen" phyllus/moides jeweils auf Populationsebene notwendig, ebenso umfassendere Info für alle möglichen Flo-Fans.

[Ob es mir gelingt aus dem obigen eine angemessen kurze Annotation für die Checkliste zu destillieren, weiß ich noch nicht - aber der Buchstabe R ist in meinem Arbeitsfile noch weit entfernt]

Jetzt g'langt's mit dem ex cathedra (bitte frei ver/anwenden): Walter"

Am 24.05.2020 um 23:20 schrieb Christian Gilli:
> Was sagt ihr zu den Fotos von Oliver Stöhr aus Osttirol:
> viewtopic.php?f=10&t=2208
> Mit ist die Sippe schleierhaft. Die Verbreitungskarte (siehe Anhang) macht keinen Sinn. Die Bundesländerangaben in der ExFlora erscheinen zweifelhaft.
>
> Und die Abb. 281/4 in der ExFlora passt meines Erachtens nicht zum Längenverhältniss Schnabel/Nüsschenrest: "Nüsschen-Schnabel (schon bei jungen Nüsschen) 0,3–0,5× so lg wie das restliche Nüsschen, stark eingerollt"
>
> LG,
> Christian

Oliver Stöhr
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Re: Ranunculus polyanthemophyllus in Dölsach (Osttirol)

Beitragvon Oliver Stöhr » Dienstag 26. Mai 2020, 19:35

Sehr erhellend, danke für die interessanten Ergänzungen von W. Gutermann! In Vorarlberg habe ich phyllus übrigens letzte Woche auch gesehen ...
Wo ich allerdings nur bedingt mitgehen kann ist die Ansicht, dass nemorosus (nur) mesophile Halbschattenstandorte einnimmt - nach meinen Beobachtungen wächst sie auch im voll besonnten Magergrünland z.B. in subalpinen Rasen oder in collin-montanen Halbtrockenrasen bzw. in Streuwiesen.
Viele Grüße
Oliver


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