Verbascum phoeniceum durch Gräsersatgut eingeschleppt (?) in der Lobau

= Blütenpflanzen
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Hermann Falkner
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Verbascum phoeniceum durch Gräsersatgut eingeschleppt (?) in der Lobau

Beitragvon Hermann Falkner » Sonntag 17. Mai 2020, 21:11

Ich hab heute nicht schlecht gestaunt, als ich am Marchfeldschutzdamm in der Unteren Lobau ein gutes Dutzend Verbascum phoeniceum gesehen habe, dazu ein paar nichtblühende Rosetten.

Das Vorkommen kann eigentlich nur angesalbt sein; ist trotzdem ein "besonderer Fund" - mit Ausbreitungspotential, denn geeignete Habitate gäbe es dort genug, und solche Ansalbungen sollten auch dokumentiert werden.
Die Wien-Flora von Adler/Mrkvicka gibt Verbascum phoeniceum überhaupt nur für den Bisamberg an.

Die Grasnarbe am Damm ist übrigens über die ganze Länge von Wien bis zur March-Mündung durch die Aufhöhungsarbeiten mehr oder weniger stark beeinträchtigt worden - dieser Abschnitt hier ist meiner Erinnerung nach relativ stark in Mitleidenschaft gezogen worden, aber genau dokumentiert hab ich das nicht (noch nicht einmal das Jahr, an dieser Stelle, so etwa in der Mitte der Unteren Lobau, war das wohl so vor rund 8 Jahren, hätte ich geschätzt) und am endlos langen Damm gibt es wenige Orientierungspunkte, ich könnte mich täuschen.

Ich habe die Art in den ersten Jahren nach der Sanierung dort nie gesehen - nur in den ersten Jahren nachher bin ich dort öfters auf- und abgeradelt, weil mich interessiert hat, wie sich die Vegetation nach der Sanierung entwickelt. In den letzten Jahren war ich aber nicht mehr so regelmässig am Damm und ich hätte die Blütezeit leicht versäumen können (die Purpur-Königskerze blüht ja nur sehr kurze Zeit).
Wie lange sie dort schon steht, weiss ich also leider nicht so genau.

Vor der Sanierung hat es aber wohl auch keine Meldung gegeben - dokumentiert durch die Wien-Flora; aber auch zB die Kartierung von Wesner:
Direktlink zum PDF - Wesner, Flora und Vegetation des Marchfeldschutzdammes 1992-1994 (Artenliste S. 117) - hier fehlt V. phoeniceum ganz, also auf der ganzen Länge bis zur March hinunter (im untersten Abschnitt nahe der March hätte ich mir vorstellen können, dass sie vorkommt, aber auch für diesen Abschnitt von Wesner nicht kartiert).
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Verbascum phoenicium
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Zuletzt geändert von Hermann Falkner am Samstag 23. Mai 2020, 09:54, insgesamt 2-mal geändert.

kurt nadler
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Re: Verbascum phoenicium angesalbt in der Lobau

Beitragvon kurt nadler » Sonntag 17. Mai 2020, 22:40

achtung: geläufiger name wäre v. phoenicEum (relevant für allfällige abfragen.)
ich häng dann gleich meine gestrigen und heutigen (fotos 17.5.2020) in einem wäldchen des illmitzer seedamms an. da hab ich nicht schlecht gestaunt.
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Hermann Falkner
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Re: Verbascum phoeniceum angesalbt in der Lobau

Beitragvon Hermann Falkner » Montag 18. Mai 2020, 06:09

Danke, Kurt - korrigiert!
(Dabei hab ich eh nachgeschlagen (wg der Verbreitung) ...

Am Neusiedler Seedamm ist sie aber sicherlich ursprünglich.

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Re: Verbascum phoeniceum angesalbt in der Lobau

Beitragvon Michael Hohla » Montag 18. Mai 2020, 15:40

Diese Art kenne ich von einigen Scherrasen in Gärten, Verkehrsbegleitflächen und Parks in Oberösterreich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dort über Gräsersaatgut eingeschleppt wurde.

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Hermann Falkner
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Re: Verbascum phoeniceum angesalbt in der Lobau

Beitragvon Hermann Falkner » Montag 18. Mai 2020, 21:26

Das wär natürlich auch eine mögliche Quelle! Der Nationalpark sät auch ein (wo sie es für nötig halten), ich weiss aber gerade einmal so viel, nicht mehr - ich hab hier keine Einblicke.

kurt nadler
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Re: Verbascum phoeniceum angesalbt in der Lobau

Beitragvon kurt nadler » Samstag 23. Mai 2020, 00:11

gudula hat heute (beim autofahren) ein blühendes exemplar entlang der straße zum ölhafen runter gesehen, so geschätzt 200 m unterhalb der ostbahnbrücke.

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Re: Verbascum phoeniceum angesalbt in der Lobau

Beitragvon Hermann Falkner » Samstag 23. Mai 2020, 09:49

kurt nadler hat geschrieben:gudula hat heute (beim autofahren) ein blühendes exemplar entlang der straße zum ölhafen runter gesehen, so geschätzt 200 m unterhalb der ostbahnbrücke.

Das ist doch ziemlich weit weg und ausserhalb des Nationalparks; ich hab inzwischen übrigens auch noch eine 2. Fundstelle am Damm zu vermelden (so vielleicht 1 km oberhalb der ursprünglichen, mit nur 1 Ind., auch noch in der Unteren Lobau).

Und somit ist sicherlich diese Annahme:
Michael Hohla hat geschrieben:Diese Art kenne ich von einigen Scherrasen in Gärten, Verkehrsbegleitflächen und Parks in Oberösterreich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dort über Gräsersaatgut eingeschleppt wurde.

die allerwahrscheinlichste - vermutlich ist am Damm nachgesät worden (vielleicht ist dort bei der Ostbahnbrücke etwas Saatgut verlorengegangen), und zwar wenn dann eher von der via Donau (oder den Wiener Gärtnern?) - einziger Grund dafür können Wildschweinschäden sein (die man aber besser einfach in Ruh' lassen sollte, was sicher auch verantwortbar ist, solange sie nicht zu extrem sind - am Marchfeldschutzdamm gilt halt leider auch, dass die Schutzfunktion des Dammes Priorität hat, und eine intakte Grasnarbe - sowie Mahd, um eine Verbuschung zu verhindern - gehört da halt auch dazu).

Ich hab mal den Titel dieses Beitrags dementsprechend geändert.

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Re: Verbascum phoeniceum durch Gräsersatgut eingeschleppt (?) in der Lobau

Beitragvon Norbert Sauberer » Samstag 23. Mai 2020, 11:25

Bei der Dammsanierung in der Lobau wurde sicherlich mit REWISA-Saatgut gearbeitet, also regionalem Saatgut. Wenn du nähere Details erfahren willst, dann würde ich an deiner Stelle Barbara Becker von der viadonau kontaktieren: http://www.viadonau.org/umwelt/naturrau ... uf-daemmen

Hier noch der Link zu den REWISA-Betrieben: http://rewisa.at/Fachbetriebe.aspx

Ein wichtiger Vemehrungsbetrieb in der Region ist Johannes Dienst aus Oberweiden. Da ist es leicht möglich wenn Festuca rupicola, F. valesiaca oder Bromus erectus vermehrt werden, dass auch einzelne Kräuter, die ursprünglich nicht vorgesehen waren, dazugerutscht sind.

Bei dem Umbau der Goldrutenbrachen in der Lobau (ehemalige Äcker) wurde Saatgut von Johannes Dienst aus Oberweiden verwendet. Beispielsweise findet man nun relativ viel Onobrychis arenaria in diesen jungen Wiesen.

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Re: Verbascum phoeniceum durch Gräsersatgut eingeschleppt (?) in der Lobau

Beitragvon Hermann Falkner » Samstag 23. Mai 2020, 11:36

Danke für die Hinweise, Norbert! :-)

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Re: Verbascum phoeniceum durch Gräsersatgut eingeschleppt (?) in der Lobau

Beitragvon Hermann Falkner » Montag 25. Mai 2020, 09:13

Ich habe von Frau Becker eine nette und sehr ausführliche Rückmeldung bekommen:

Es wurde tatsächlich, wie schon von Norbert vermutet, mit REWISA-Saatgut gearbeitet (https://wildblumensaatgut.at/); bei der Dammsanierung selbst ist auch Material aus den Heissländen der Lobau verwendet worden, schreibt sie: das weiss ich auch, an 2 Stellen direkt neben dem Damm (und vielleicht einigen weiteren) ist die Humusschicht von Heissländen abgegraben und am Damm aufgetragen worden - wo genau, das weiss Frau Becker leider auch nicht so genau (das war vor ihrer Zeit), ich weiss aber noch aus der damaligen Zeit, dass das damit begründet worden ist, so die Damm-Flora besser wiederherstellen zu können - und die Entnahmestellen auf den Heissländen können das verkraften bzw. sind dort neue Pionierstandorte geschaffen worden (das sehe ich übrigens auch so, was die Eingriffe auf den Heissländen betrifft - die waren sicherlich nicht bedrohend für die dortige Flora; geholfen hat es am Damm aber wenig, glaube ich - es hat sich dort im ersten Jahr eher eine subruderale Flora entwickelt).

Die 3 Methoden, die bei der Dammsanierung angewandt worden sind, waren also:
- die oben beschriebene = Material aus den umliegenden Heissländen
- Rasensoden = abgerollte Rasenflächen vom Damm selbst (wie von mir oben schon beschrieben, die waren aber +/- "hin" und diese Methode war wohl die uneffektivste)
- und regionales REWISA-Saatgut

Sowie ergänzend noch von mir - an einigen Stellen, zB bei der Kreuzung zur Gänshaufentraverse, hat man die Dammaufhöhung nur auf einer Seite gemacht, hier donauseitig, und die Grasnarbe auf der anderen Seite ist unberührt geblieben, man sieht das heute noch daran, dass der Damm hier nordseitig eine Stufe hat.

Weiters schreibt Frau Becker, dass auch beim Einsatz des Saatgutes darauf geachtet wird, Saatgut mit Provenienz "silikatische Marchniederung" nicht mit solchem aus der "kalkigen Donauniederung" zu mischen und das Saatgut im jeweils passenden Bereich einzusetzen, man ist also schon sehr darauf bedacht, dass es zu keiner Florenverfälschung kommt.
Saatgutverunreinigung kann sie aber natürlich nicht ausschliessen; ebenso meint sie, dass möglicherweise auch mit dem eingebrachten Schotter Saatgut verschleppt worden sein könnte - ein berechtigter Einwand, insbes. da es im Marchfeld ja riesige Schottergruben gibt.

Immer möglich ist natürlich auch, dass dieser Bestand von Verbascum phoeniceum doch auf "gärtnerische" Tätigkeit zurückgeht - eh klar.

Letztendlich wird sich die Herkunfft also nicht klären lassen. Und auch nicht, ob es einen Zusammenhang zwischen den Vorkommen am Marchfeldschutzdamm und jenem bei der Ostbahnbrücke von Kurt's Gudula gibt.


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