Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Wie das Kostbare erhalten? Gefährdungen, Schutzmaßnahmen und Interviews
kurt nadler
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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon kurt nadler » Montag 10. Januar 2022, 17:40

ich verstehs auch nicht! ich kenne keinen parallelen fall. jedes nutztier ist bei der ama registriert und hat die furchtbaren plastikohrmarken. diese tiere aber so wie wildtiere nicht; keine "volkszählung", keine haltungsvorschriften, kein tierschutz. und warum sie so brav nirgends anecken, weiß ich auch nicht, halt sehr vernünftige tiere, und wie hermann schon schrieb, halten sie respektabstand zu menschen. aber mangels feinde haben sie sich ganz offenkundig deutlich vermehrt. bin gespannt, ob hierzu noch eine info reinkommt oder evtl. von der natura 2000-gebietsbetreuung.
scheinbar ist die hainburger bevölkerung aber auch sehr tolerant, denn wild lebende schafe darf es doch nicht geben! wie steht die lokale jägerschaft dazu?

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Jürgen Baldinger
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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon Jürgen Baldinger » Dienstag 11. Januar 2022, 14:13

Letzten März gab es ja einen bestätigten Wolf-Nachweis in der Nähe der Hainburger Berge, siehe hier. Vermutlich ein umherziehendes Männchen, das wie der sprichwörtliche Kelch an den Schafen vorübergegangen zu sein scheint.
"(...) gib ihnen noch zwei südlichere Tage (...)"

kurt nadler
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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon kurt nadler » Dienstag 11. Januar 2022, 19:14

danke für die interessante info! wolfi war wohl am falschen donauufer unterwegs. falls einer einmal den berg besuchen würde: bin gespannt auf den zeitpunkt und modus einer möglichen schaf-diaspora, falls sie nicht ohnehin jagdlich reduziert werden.

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Hermann Falkner
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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon Hermann Falkner » Samstag 3. Juni 2023, 14:30

Ich war heute am Braunsberg, sitze grade im Zug - die Felssteppe am Gipfel schaut echt schlimm aus!

Die Federnelke (D. lumnitzeri bzw. serotinus subsp. l.) blüht an tieferliegenden Hängen, dessen hab ich mich vergewissert; im Gipfelbereich hab ich aber lang suchen müssen, um überhaupt 3 mickrige Buschen zu finden. Die einstige grosse Population ist am schwinden. Dasselbe gilt auch für das Federgras, nach meinem Dafürhalten Stipa eriocaulis: die einst am ganzen West- und Südhang unter dem Gipfelplateau ausgedehnte Federgrassteppe ist überwiegend zerstört, letzte Reste gibt es vor allem am äussersten Nordwesteck und am Südosteck.

Dazwischen sind die einstigen Felssteppen stark ruderalisiert und/oder zertrampelt und/oder zugeschissen, die wilde Herde hat ganze Arbeit geleistet.

Die Herde müsste wirklich raschestmöglich weg, dann kann sich die Felssteppe vielleicht wieder regenerieren - jetzt ist sie virtuell tot.

Daneben habe ich schon auch viel schönes gesehen - Bilder poste ich dann vielleicht später in passenden Beirägen:

Verbascum phoeniceum zahlreich in der Wiese am Gipfelplateau - auch hier aber eine den Naturschutz betreffende Anmerkung: es gibt tiefe Fahrspuren, mehrere nebeneinander, an mehreren Stellen - sieht nach Wettrennen mit solchen "Spass-Geländeautos" (oder wie auch immer die heissen) aus.

Neben Muscari comosum auch, und sogar zahlreicher, Muscari tenuifolium.

Einige wenige, sehr mickrige Ornithogalum, die eigentlich nur O. pannonicum sein können (um diese Jahreszeit, und in der Felssteppe), jedoch Laubblätter schon verwelkt.

Anacamptis pyramidalis und eine verblühte, schwer bestimmbare Orchidee (der Braunsberg ist ja fast orchideenfrei).

Allium cf. sphaerocephalon (noch in Knospe), und natürlich die dort häufigen Allium flavum + A. scorodoprasum.

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Hermann Falkner
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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon Hermann Falkner » Sonntag 4. Juni 2023, 18:37

Jetzt die Bilddokumentation dazu:
Der "eigentliche" Federgras-Feldtrockenrasen hat früher so circa unterhalb der vielen Disteln begonnen und sich um die ganze Süd- bis Westflanke gezogen; Carduus nutans ist zwar wirklich eine wunderschöne Distel, aber sie gehört ganz entschieden nicht hierher:
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Ein Blick hinunter vom Plateau - selbst im Felshang selbst gibt es einige Individuen; ausserdem sieht man hier sehr gut, wie zertrampelt die Felssteppe schon ist:
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Noch schlimmer hier:
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Da bin ich früher öfters herumgeklettert - die Mühe hab ich mir diesmal gespart, da wächst ja fast nix mehr.
Behaarug auf der Stipa-Frucht zeigt meines Erachtens Stipa eriocaulis - Vorderseite: Behaarung geht über die ganze Länge, Rückseite: Muster entspricht dem von S. eriocaulis und nicht S. pulcherrima:
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Bei Ornithogalum pannonicum würde ich mich jetzt ein cf. wegzulassen trauen - nicht nur Jahreszeit und Standort, auch die Länge der Deckblätter (+/- so lang wie der Blütenstiel, oder länger) sind lt. Exkursionsflora ein distinktives Merkmal (noch vor dem Gedankenstrich stehend) - das sollte also passen. Davon hab ich nur ganz wenige Individuen gesehen, die Art sollte hier viel häufiger sein - wenn auch (meines Wissens) nie so häufig wie am Hundsheimer Berg, wo's die massenhaft gibt:
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Hier eins der sehr wenigen Individuen von Dianthus lumnitzeri, die war früher direkt am bzw. unterhalb des Gipfelplateaus wirklich häufig:
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Orlaya grandiflora hat sich ganz an den Rand des Felstrockenrasens zurückgezogen, nur sehr wenige Individuen findet man noch inmittten des ruderalisierten Rasens:
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... in dem sich Bromus tectorum schon längst flächig ausgebreitet hat, und selbst Ailanthus altissima beginnt vereinzelt schon vozudringen:
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Campanula sibirica war, wenn ich mich recht erinnere, dort nie häufig, aber alles, was man jetzt noch sieht, sind ein paar verhutzelte Individuen und die auch nur an den weniger stark beeinträchtigten Stellen:
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Die Schafe selbst habe ich nicht gesehen, nur ihre Hinterlassenschaften. ./.

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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon Stefan Lefnaer » Sonntag 4. Juni 2023, 18:43

Stipa eriocaulis und S. pulcherrima kann man anhand der Länge der Deckspelze (und der Granne) recht gut unterscheiden. Anhand der Fotos natürlich nicht, weil kein Maßstab dabei ist.

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Hermann Falkner
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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon Hermann Falkner » Sonntag 4. Juni 2023, 18:43

Lappula squarrosa kommen diese Gegebenheiten womöglich dagegen sogar entgegen, ist glaub ich häufiger geworden:
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Heuer im Frühjahr hab ich Gagea pusilla schon auch noch am Plateau gesehen - kommt allerdings hauptsächlich auf der Plateauwiese vor. Hesperis tristis wächst normalerweise genau dort, wo sich jetzt Carduus nutans und Bromus tectorum breitgemacht haben - keine Ahnung, wie's um die bestellt ist, da war ich nicht zur richtigen Zeit dort.
Die Wiese im Gipfelbereich hat auch eine grössere Population von Verbascum phoeniceum:
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In diesem Bereich gibt es nebeneinander mehrere sehr kuriose Fahrspuren, wie schon oben erwähnt würde ich "Spassmobile" als Verursacher sehen - denn was sonst könnte oder sollte das sein? ganz ähnliche Spuren übrigens auch ganz am Gipfel, bei der Pferdekoppel:
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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon Hermann Falkner » Sonntag 4. Juni 2023, 18:46

Stefan Lefnaer hat geschrieben:Stipa eriocaulis und S. pulcherrima kann man anhand der Länge der Deckspelze (und der Granne) eindeutig unterscheiden. Anhand der Fotos natürlich nicht, weil kein Maßstab dabei ist.

Ich weiss, die Granne war durchwegs kurz, ich hab sie gestern nicht nochmals vermessen - aber bei früheren Gelegenheiten öfters mal, die sollte deutlich unter bzw. max. 30 cm lang sein - wie gesagt, gestern nicht nochmals gecheckt.
Der Habitus ist aber meiner Meinung nach auch ganz eindeutig S. eriocaulis - man sieht bei beiden Arten eigentlich schon von Weitem, dass eriocaulis "aufrechter" wirkt, während die Grannen von S. pulcherrima meist sehr auffällig überhängen.

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Re: Beweidungsregime im NSG Braunsberg bei Hainburg

Beitragvon Hermann Falkner » Dienstag 6. Juni 2023, 19:52

Der Trockenrasenkatalog aus dem Jahr 1986 (Grüne Reihe des BM für Ges.+Umweltschutz Band 6, Direktlink zum PDF) enthält eine Artenliste der Hainburger Berge, die ganz interessant ist - an Stipa-Arten werden gleich 4 genannt, neben S. capillata auch S. joannis und sowohl S. eriocaulis als auch S. pulcherrima! Insofern, Stefan, dein Einwand natürlich voll berechtigt: es wäre schon interessant zu wissen, ob diese Arten alle noch vorhanden sind (S. capillata übrigens sicher; von den 3 anderen Arten können meine oben geposteten Bilder jedenfalls nur entweder eriocaulis oder pulcherrima sein).

Wäre also eine gute Basis zum Kartieren des Berges incl. Vergleich mit dem Ist-Zustand, dafür bräuchte es aber natürlich viel Tagesfreizeit (und abgesehen davon natürlich einen besseren Botaniker als mich ;-). Wobei die bei grober Durchsicht wohl auch nicht ganz korrekt ist (am Braunsberg nur G. pratensis, keine G. pusilla; ebenso auch keine Lappula squarrosa am Braunsberg - wobei hier schon auch denkbar wäre, dass es die 1986 am Berg nicht gegeben hätte und diese später eingeschleppt worden ist, bei Klettfrüchten wär das schon auch vorstellbar). Und die Bezeichnungen der Taxa sind teils schon so stark veraltet, dass man erst nachschlagen muss, welche Art das überhaupt ist.


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