Naturschutz als Angriffskrieg

Wie das Kostbare erhalten? Gefährdungen, Schutzmaßnahmen und Interviews
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Jürgen Baldinger
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Naturschutz als Angriffskrieg

Beitragvon Jürgen Baldinger » Freitag 9. Februar 2024, 16:29

Exemplarische Nutzungskonflikte zwischen Naturschutz und örtlicher Bevölkerung kann man im Kaltenleutgebener Tal, südwestlich von Wien, studieren. Dort, in den trockenen Parapluie-Bergen, gibt es mit dem Steinbruchsee ein wertvolles Stillgewässer, halbnatürlich entstanden und Teil des (mittlerweile erweiterten) Naturschutzgebiets Teufelstein-Fischerwiesen. Nach dem Ende des gewerblichen Kalkabbaus 1995 füllte Quellwasser die Grube, der See entstand und wurde von der Bevölkerung als willkommener, nicht-kommerzieller Badeplatz genützt. Die daraus resultierende, offenbar unvermeidliche Vermüllung, der Betritt und so weiter kollidierten schnell mit den Schutzgebietsnormen, Hinweis- und Verbotsschilder halfen wenig und so ist eine Zugangsstraße zu den hinteren Bereichen des Steinbruchs mittlerweile durch Gittertore versperrt und der Weg zur Badewiese wird jetzt durch einen verbreiterten Wassergraben versperrt. Statt Badegästen gibt es nun weidende Schafe.
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Das alles führt in der Umgebung zu Widerstand, den man ja auch verstehen kann. Aus Sicht der sommerlichen Badegäste zunächst die Freude über diesen kleinen, aber feinen Wildbadeplatz in wunderschöner Naturkulisse, dann plötzlich Zutrittsverbot, Ende Gelände. Ein Problem habe ich aber mit jenen, die sich ein Recht auf eigene Fakten einbilden...
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...und vor allem habe ich ein klitzekleines Problem damit, wenn der moralische Kompass völlig verlorengeht und Naturschutz mit einem imperialistischen Mafiastaat und dessen völkerrechtswidrigem Angriffskrieg gleichgesetzt wird.
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Stefan Lefnaer
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Re: Naturschutz als Angriffskrieg

Beitragvon Stefan Lefnaer » Freitag 9. Februar 2024, 17:25

Wobei ich schon verstehen kann, dass ein solch von oben herab verordneter Naturschutz bei der Bevölkerung, die die Bademöglichkeit liebgewonnen hatte, nicht so gut ankommt. Das schadet aus meiner Sicht mehr als es nützt, wenn man es nicht schafft einen vernünftigen Ausgleich zwischen Naherholung (für jene, die sich keinen eigenen Swimmingpool leisten können) und Naturschutz hinzubekommen. Das fördert dann letztlich das Erstarken von Rechtspopulisten, die die Chance nutzen um gegen "die Eliten da oben" zu wettern und mit sehr zweifelhaften Parolen bei den sich abgehängt und vom Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen fühlenden Menschen punkten können.

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Re: Naturschutz als Angriffskrieg

Beitragvon 2045 » Freitag 9. Februar 2024, 18:55

In dem Bereich gibt es natürlich noch eine ganz besondere Konstellation mit Gemeindezuständigkeit (zunächst Gemeindegebietstausch Perchtoldsdorf und Kaltenleutgeben 2012, Grundbesitzer ist aber weiter die Gemeinde Perchtoldsdorf) und dann nachträglicher Umwidmung/Erweiterung des Schutzgebietes 2016, sehr federführend durch den Grundbesitzer.
Mich wundert es nicht, das in Kaltenleutgeben die Wogen hochgehen.
Am Anfang der Aufstellung des Zaunes musste der fast täglich neu aufgebaut werden.

Wobei sehr viele Nutzer dieses Gebietes eigentlich Wiener sind. Denn die riesige relativ neue Wohnanlage (rund 500 Wohnungen) im Tal anstelle des ehemaligen Zementwerkes ist noch Wien.
LG Markus

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Hermann Falkner
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Re: Naturschutz als Angriffskrieg

Beitragvon Hermann Falkner » Freitag 9. Februar 2024, 19:29

Ja, dieser Wohnklotz an der Kaltenleutgebner Strasse, noch auf Wiener Stadtgebiet, ist auch so eine Natursünde - es hat ja eh Widerstände dagegen gegeben, aber ist dann halt leider doch gebaut werden.
Die erhöht auch den Druck auf den wunderschönen Wald dahinter, nördlich davon.
Ist immer schade, wenn die Fronten so verhärtet sind wie hier, wie die Graffiti zeigen, die Jürgen gepostet hat ... da ist wohl keine "Vermittlung" mehr möglich.

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Jürgen Baldinger
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Re: Naturschutz als Angriffskrieg

Beitragvon Jürgen Baldinger » Freitag 9. Februar 2024, 19:46

Wie gesagt, Stefan, ich hab' auch Verständnis für einen Ärger darüber, wenn einem Schönes genommen wird. Ein Nebeneinander wäre wohl oft möglich. Dogmen und Orthodoxie sind mir ein Gräuel, ich halt's mit leben und leben lassen, pragmatischem Zugang, Dialektik. Sich mit einem Vergleich aber so zu vergreifen, heißt für mich, nicht mehr diskursfähig zu sein oder sein zu wollen.
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Stefan Lefnaer
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Re: Naturschutz als Angriffskrieg

Beitragvon Stefan Lefnaer » Freitag 9. Februar 2024, 20:01

Ich bin eh deiner Meinung, was die draufgeschriebenen Texte betrifft. Der restliche Text ist auch nicht viel besser und ideologisch eingefärbt. Wobei jene die von "Klimaschutz Lüge" und "Elite" schreiben meist Putinfreunde sind. Aber anscheinend ist das je nach Bedarf anpassbar. Ich würde auch meinen, dass 99% der Leute die dort Baden wollen nicht so radikal sind aber möglicherweise durch durch solche Situationen negativ beeinflusst werden.


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