2020 jährt sich Ludwig van Beethovens Geburtstag zum 250. Mal. Beethoven war bekanntlich ein großer Naturliebhaber, der oft im Freien spazieren ging und sich von der Natur inspirieren ließ. Eines der schönsten Beispiele und sicher allen bekannt ist seine 6. Symphonie, in der er seine Natureindrücke verarbeitet hat. Wie sich das zugetragen haben soll, wurde in einer Lithographie dargestellt, die 1834 im Zürcher Almanach der Musikgesellschaft veröffentlicht wurde:
Ich bin sicher kein Kenner der Beethoven-Literatur, konnte aber jedenfalls im Internet keine Angabe finden welche Lokalität auf dem Bild dargestellt ist. Dabei fällt es doch auf den ersten Blick auf, dass es sich um den Leopoldsberg in Wien handeln muss. Es gibt auch tatsächlich eine andere Lithographie, die den Leopoldsberg darstellt und explizit so beschriftet ist und ganz offensichtlich als Vorlage für erstere Lithographie gedient hat:
Dabei wurde die Darstellung aus der zweiten Lithographie nach hinten in die Ferne gerückt und dient nun nur mehr als Kulisse. Zwischen Beethoven und Leopoldsberg befindet sich ein breiterer Landstreifen mit einem Auwald und einer Weide oder Heißlände, auf der sich eine Schafherde samt schöner Hirtin tummelt. Daraus kann man schließen, dass Beethoven nicht wie der Betrachter in der zweiten Lithographie am südlichen Donauufer sitzen kann, sondern sich nördlich der Donau befinden muss. Nun kann man natürlich einwenden, dass es sich dabei um eine künstlerische Komposition und Erfindung handelt. Vermutlich saß Beethoven tatsächlich nicht mit einem Fuß fast im Wasser und komponierte dabei eine Symphonie. Andererseits ist belegt, dass Beethoven mehrfach das Landgut seiner Förderin der Gräfin Erdődy in Jedlesee besuchte. Das Landgut hatte einen großen Garten, der direkt an die Schwarze Lacke, einen für seine Hochwässer berüchtigten Nebenarm der Donau angrenzte. Auch belegt ist, dass Beethoven dabei nicht die Donaubrücke weiter südlich benützte sondern mit der Überfuhr von Nussdorf übersetzte und dann über die Schwarzlackenau (damals ein Auwald, heute eine Siedlung durch welche die Überfuhrstraße führt, die noch an die Überfuhr erinnert) nach Jedlesee gelangte. Im folgenden Ausschnitt aus dem Franziszeischen Kataster ist dieser Weg mit einer roten Linie dargestellt:
Man kann sich also auch vorstellen wie Beethoven nach der aufreibenden Anreise und Überfuhr in einem schwankenden Schinakel froh war endlich in der Natur angekommen zu sein. Bei einem Altarm ruhte er am Ufer, hörte dem Plätschern des Wassers und den Vögeln zu und sammelte dabei Eindrücke. Das wäre ungefähr bei dem mit dem blauen Stern gekennzeichneten Ort gewesen. Von dort hätten wir Beethoven genau in der in der ersten Lithographie dargestellten Perspektive sehen können (blauer Pfeil)! Nach seiner Rast wanderte er weiter und amüsierte sich in Jedlesee über die unbeholfen musizierende Dorfkapelle. Im Landgut der Gräfin erlebte Beethoven ein heftiges Sommergewitter und war froh als dieses vorbeizog und der Himmel wieder aufklarte. Vielleicht bot sich ihm dann am Abend ein Bild wie folgendes:

Der Marchfeldkanal fließt heute hier im Bereich der Schönungsteiche im Bett der ehemaligen Schwarzen Lacke. Den Leopoldsberg sieht man wie auf der Lithographie im Hintergrund thronen. Wir wissen nicht, ob die Lithographie einigermaßen die Realität abbildet, es sich so wie beschrieben zugetragen hat und wo genau Beethoven seine Inspiration schöpfte. Aber so könnte es gewesen sein!
Schöne Grüße
Stefan