Segetalflora 2024
- Stefan Lefnaer
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Re: Segetalflora 2024
Auf einer Ackerbrache bei Göllersdorf Centaurea solstitialis n (neu für Qu. 7562-2). Die Art dürfte im südwestlichen Weinviertel auf dem Vormarsch sein.
- Stefan Lefnaer
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Re: Segetalflora 2024
Heute in einem Roggenfeld bei Kirchberg am Walde gut getarnt Bromus secalinus EN , in der BM CR .
- Stefan Lefnaer
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Re: Segetalflora 2024
Hier im Korneuburger Becken sieht man unschön, wohin eine verfehlte Landwirtschaftspolitik, die nur auf immer mehr Ertrag und immer niedrigere Kosten abzielt, hinführt:
Das Riesentrumm an Mähdrescher sieht aus der Nähe wie am Foto unten (Quelle: Wikimedia-Commons, CC-BY-SA-4.0) aus:

Vorne fährt das Ding wie ein Panzer auf Ketten, das Mähwerk ist bis zu 15 Meter breit. Man kann sich vorstellen, dass solche Maschinen eine Landschaft wie im Mittleren Westen der USA oder in den landwirtschaftlich industrialisierten Bereichen der ehemaligen Sowjetunion benötigen: riesige Äcker ohne irgendwelche Feldraine oder Gehölze dazwischen. Und somit ohne irgendein Leben, bereit für die "Ernteschlacht".
Zum Vergleich Fotos von einer kleinteiligen Kulturlandschaft im oberen Waldviertel, mit schmalen Parzellen und jeweils artenreichen Rainen dazwischen. Der gigantöse Mähdrescher würde da gleich stecken bleiben.
Am Feldrain steht der Granit an und auf der Kuppe kann Arnoseris minima EN gedeihen:
Das Riesentrumm an Mähdrescher sieht aus der Nähe wie am Foto unten (Quelle: Wikimedia-Commons, CC-BY-SA-4.0) aus:

Vorne fährt das Ding wie ein Panzer auf Ketten, das Mähwerk ist bis zu 15 Meter breit. Man kann sich vorstellen, dass solche Maschinen eine Landschaft wie im Mittleren Westen der USA oder in den landwirtschaftlich industrialisierten Bereichen der ehemaligen Sowjetunion benötigen: riesige Äcker ohne irgendwelche Feldraine oder Gehölze dazwischen. Und somit ohne irgendein Leben, bereit für die "Ernteschlacht".
Zum Vergleich Fotos von einer kleinteiligen Kulturlandschaft im oberen Waldviertel, mit schmalen Parzellen und jeweils artenreichen Rainen dazwischen. Der gigantöse Mähdrescher würde da gleich stecken bleiben.
Am Feldrain steht der Granit an und auf der Kuppe kann Arnoseris minima EN gedeihen:
- Stefan Lefnaer
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Re: Segetalflora 2024
Hier weitere Fotos von Bromus secalinus EN , in der BM CR , aus dem Waldviertel. Diesmal mit reifen Früchten und ohne Regen. Die Roggen-Trespe ist bekanntlich ein hochspezialisiertes Ackerbeikraut, welches sich im Laufe der Zeit evolutionär an den Roggenanbau angepasst hat. Früher behielten die Bauern jedes Jahr einen Teil der Ernte ein und verwendeten diesen Teil als Saatgut für das Folgejahr. Die Roggen-Trespe passte sich möglichst gut an die Kulturpflanze an, um jedes Jahr mitgeerntet, mitgedroschen und wieder mitausgesät zu werden. Die Anpassung erfolgte sowohl optisch, indem sich die Deckspelzen um die Karyopsen rollen und daher die Ährchen der Trespe eine Ähnlichkeit mit den Ähren des Roggens aufweisen. Zudem ging die bei Trespen meist vorhandene Behaarung der Blattscheiden verloren, damit die geerntete Trespe im geernteten, ebenfalls kahlen Roggen nicht auffällt. Die Karyopsen der Roggen-Trespe sind größer als bei Wildsippen, um bei der Saatgutreinigung nicht aussortiert zu werden. Man kann sogar nachweisen, dass die Größe der Karyopsen evolutionär mit jenen des Roggen mitwuchs: Züchtete der Mensch Roggensorten mit größeren Früchten, zog die Trespe mit um weiterhin nicht ausgesiebt zu werden. Aber auch funktionell gab es Anpassungen: die Ährchen der Roggen-Trespe zerfallen bei der Fruchtreife nicht, wie bei Wildgräsern üblich, damit sie mitgedroschen werden. Zudem ging der für Wildpflanzen essentielle Keimverzug verloren, eine weitere Anpassung an die Kulturfrucht. Über die Auswirkungen auf die Landwirtschaft in früherer Zeit gibt es widersprüchliche Berichte: manchen sagen die Roggen-Trespe wäre ein fürchterliches Unkraut gewesen. Von anderswo wird wiederum berichtet, dass die Roggen-Trespe mitgeernet und, als willkommene Aufbesserung, ebenfalls zu Mehl mitgemahlen wurde.
Spekulativ sind die Meinungen über die Verwandschaftsverhältnisse: Offensichtlich ist B. secalinus mit B. commutatus verwandt, einer Art die auf frischen Wiesen zu finden ist. Manche vermuten, dass erstere Art aus letzterer entstanden ist, nämlich indem die Wiesenart in die vom Menschen geschaffenen Äcker als neues Habitat eindrang. Hinzu kommt, dass heutzutage öfters – meist an Acker- und Wegrändern – Populationen zu finden sind, die merkmalsmäßig zwischen den beiden Arten stehen. Es wird vermutet, dass es sich dabei um "Rückverwilderungen" von B. secalinus handeln könnte. Dieser unklare Formenkreis wurde vom Poaceen-Experten Scholz zuerst als B. secalinus subsp. decipiens beschrieben. Später und ohne Begründung kombinierte er die Sippe zu B. commutatus subsp. decipiens um. Gerhard Karrer geht davon aus, dass an dieser Sippe gar nichts dran ist, es sich also um merkmalsmäßig untypische Populationen einer der zwei Arten handelt. Genauere Aufschlüssen könnten hier vermutlich nur genetische Analysen bringen.
Heuzutage gilt die Art als hochgradig gefährdet:

Neben den allgemeinen Gefährdungsursachen bei Ackerbeikräuern, wie Herbizideinsatz, dichterer Besatz mit der Kulturfrucht, intensivere Bearbeitung, Düngung usw., spielt hier v.a. die perfektionierte Saatgutreinigung und Verwendung von gereinigtem Fremdsaatgut die maßgebliche Rolle. Der fehlende Keimverzug wirkt sich beim möglichen Ausweichen in Ersatzhabitate sicherlich sehr hinderlich aus.
So, jetzt aber endlich die Fotos! Hier sieht man die Roggen-Trespe im Roggen (man kann mutmaßen, dass früher die Roggensorten schmächtiger waren bzw. kürzere Ähren hatten und daher mehr der Roggen-Trespe ähnelten, vielleicht auch farblich):
Rispe mit Ährchen:
Ährchen, gut erkennbar sind die um die Karyopsen eingerollten Deckspelzen und die freiliegende, sichtbare Ährchenachse:
Karyopsen mit Deckspelzen (am ersten Foto gemeinsam mit Roggen-Karyopsen):
Karyopse ohne Deckspelze:
Zuletzt noch Habitat-Fotos:
Spekulativ sind die Meinungen über die Verwandschaftsverhältnisse: Offensichtlich ist B. secalinus mit B. commutatus verwandt, einer Art die auf frischen Wiesen zu finden ist. Manche vermuten, dass erstere Art aus letzterer entstanden ist, nämlich indem die Wiesenart in die vom Menschen geschaffenen Äcker als neues Habitat eindrang. Hinzu kommt, dass heutzutage öfters – meist an Acker- und Wegrändern – Populationen zu finden sind, die merkmalsmäßig zwischen den beiden Arten stehen. Es wird vermutet, dass es sich dabei um "Rückverwilderungen" von B. secalinus handeln könnte. Dieser unklare Formenkreis wurde vom Poaceen-Experten Scholz zuerst als B. secalinus subsp. decipiens beschrieben. Später und ohne Begründung kombinierte er die Sippe zu B. commutatus subsp. decipiens um. Gerhard Karrer geht davon aus, dass an dieser Sippe gar nichts dran ist, es sich also um merkmalsmäßig untypische Populationen einer der zwei Arten handelt. Genauere Aufschlüssen könnten hier vermutlich nur genetische Analysen bringen.
Heuzutage gilt die Art als hochgradig gefährdet:
Neben den allgemeinen Gefährdungsursachen bei Ackerbeikräuern, wie Herbizideinsatz, dichterer Besatz mit der Kulturfrucht, intensivere Bearbeitung, Düngung usw., spielt hier v.a. die perfektionierte Saatgutreinigung und Verwendung von gereinigtem Fremdsaatgut die maßgebliche Rolle. Der fehlende Keimverzug wirkt sich beim möglichen Ausweichen in Ersatzhabitate sicherlich sehr hinderlich aus.
So, jetzt aber endlich die Fotos! Hier sieht man die Roggen-Trespe im Roggen (man kann mutmaßen, dass früher die Roggensorten schmächtiger waren bzw. kürzere Ähren hatten und daher mehr der Roggen-Trespe ähnelten, vielleicht auch farblich):
Rispe mit Ährchen:
Ährchen, gut erkennbar sind die um die Karyopsen eingerollten Deckspelzen und die freiliegende, sichtbare Ährchenachse:
Karyopsen mit Deckspelzen (am ersten Foto gemeinsam mit Roggen-Karyopsen):
Karyopse ohne Deckspelze:
Zuletzt noch Habitat-Fotos:
- Jürgen Baldinger
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Re: Segetalflora 2024
Danke für dieses gute Portrait!
"(...) gib ihnen noch zwei südlichere Tage (...)"
-
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Re: Segetalflora 2024
Hallo,
decipiens ist morphologisch wie ein commutatus somit in einigen Pflanzenteilen behaart. Mit secalinus (komplett kahl) nicht zu verwechseln.
Zur Verwendung von Bromus:
https://www.wochenblatt-dlv.de/regionen ... ier-566182
decipiens ist morphologisch wie ein commutatus somit in einigen Pflanzenteilen behaart. Mit secalinus (komplett kahl) nicht zu verwechseln.
Zur Verwendung von Bromus:
https://www.wochenblatt-dlv.de/regionen ... ier-566182
- Stefan Lefnaer
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Re: Segetalflora 2024
Wenn die Behaarung das einzig relevante Merkmal wäre, wäre es vielleich einfach. Manche Pflanzen zeigen aber widersprüchliche Merkmalskombinationen aus B. commutatus und B. secalinus. Da nur anhand von einem willkürlich herausgegriffenen Merkmal eine Zuordnung zu treffen, erscheint nicht nachvollziehbar.
-
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Re: Segetalflora 2024
Nein,
man erkennt es sofort auch an den Ährchen. secalinus ist "derber", decipiens wirkt feiner. Wenn man sich eingeschaut hat, geht es beim Vorbeigehen. Bei mir sind beide regelmäßig da, da hat man die Chance sich einzuschauen. secalinus hat in den letzten Jahren wieder zugenommen. Hat in der Wintergerste teils große Probleme bereitet. Wird ja teilweise diskutiert, ob die Neuausbreitung aktuell die ursprünliche secalinus s. str. ist. H. Scholz hat in der Kochia 6 eine sssp. infestus ins Spiel gebracht (https://www.zobodat.at/pdf/Kochia_6_0001-0009.pdf). Das ist morphologisch aber schon alles schwierig...
In jedem Fall zerbröseln die Ährchen von commutatus beim Zugreifen in der Hand, secalinus bleibt weitgehend stabil. decipiens ist in rasanter Ausbreitung. Im Getreide sicherheitshalber mal nachschauen, ob es nicht Bestände mit behaarten Blattscheiden, Blättern von "secalinus" gibt.
Ansonsten sehr, sehr schöne Photos. Arnoseris gefällt mir richtig gut.
man erkennt es sofort auch an den Ährchen. secalinus ist "derber", decipiens wirkt feiner. Wenn man sich eingeschaut hat, geht es beim Vorbeigehen. Bei mir sind beide regelmäßig da, da hat man die Chance sich einzuschauen. secalinus hat in den letzten Jahren wieder zugenommen. Hat in der Wintergerste teils große Probleme bereitet. Wird ja teilweise diskutiert, ob die Neuausbreitung aktuell die ursprünliche secalinus s. str. ist. H. Scholz hat in der Kochia 6 eine sssp. infestus ins Spiel gebracht (https://www.zobodat.at/pdf/Kochia_6_0001-0009.pdf). Das ist morphologisch aber schon alles schwierig...
In jedem Fall zerbröseln die Ährchen von commutatus beim Zugreifen in der Hand, secalinus bleibt weitgehend stabil. decipiens ist in rasanter Ausbreitung. Im Getreide sicherheitshalber mal nachschauen, ob es nicht Bestände mit behaarten Blattscheiden, Blättern von "secalinus" gibt.
Ansonsten sehr, sehr schöne Photos. Arnoseris gefällt mir richtig gut.
- Stefan Lefnaer
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Re: Segetalflora 2024
Wie schon gesagt, gibt es hier in Niederösterreich alle möglichen Übergangsformen, also z.B. Pflanzen mit behaarter Laubblattscheide und nicht-zerfallenden Ährchen. Dass sich anderswo zwei Sippen merkmalsmäßig unterscheiden lassen, mag sein. Nur muss man immer das gesamte Verbreitungsareal betrachten, wenn man Sippen beschreibt bzw. voneinander abgrenzt.
- Stefan Lefnaer
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Re: Segetalflora 2024
Nächst Göllersdorf blüht die hübsche Kickxia elatine VU an einem Feldwegrand. Vermutlich wurde der Same, aus dem sie aufging, aus den umliegenden Feldern dorthin geschwemmt.
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