Galeopsis-Workshop
Verfasst: Sonntag 26. August 2018, 21:12
Liebes Forum!
Heute habe ich mir in Osttirol die derzeit reich blühenden Bestände von Galeopsis (Hohlzahn) noch einmal genauer angeschaut, dies nicht zuletzt aufgrund der letzten (vermeintlichen) Angaben für die Galeopsis-Bastarde in diesem Forum (vgl. viewtopic.php?f=10&p=4265#p4265). Ich war dazu in jungen Schlagfluren (vormals Fichtenforste) am Fuß der silikatischen Schobergruppe auf rd. 700 msm nahe Nussdorf-Debant unterwegs.
Nachfolgend darf ich meine Ergebnisse hier vorstellten und lade alle ein, sich mit dieser gar nicht so unspannenden und durchaus ästhetisch blühenden Gattung näher zu beschäftigen sowie Bilder und Diskussionsbeiträge hier im Sinne eines kleinen Workshops bzw. "Workshöpchen" zu posten.
Ich beginne die Aufzählung mit der in den genannten Schlagfluren häufigsten Sippe, schließe die Sippenaufzählung mit einem Einzelfund einer interessanten, aber fraglichen Hybride und füge noch ein kleines Fazit dazu:
Die weitaus häufigste Sippe in den heute untersuchten Schlagfluren ist unzweifelhaft Galeopsis pubescens ssp. murriana, die gelblich oder weißliche Blüten aufweist, deren Kronröhren deutlich länger als jene von G. tetrahit sind. Allerdings sind die Stängel der von mir untersuchten Individuen (und ich habe heute viele untersucht!) unter den Knoten deutlich verdickt, was sie lt. EFÖLS 2008 nicht sein sollten. Ein weiteres Differenzialmerkmal zu G. tetrahit sind lt. EFÖLS am Stängel anliegende Haare, die zusätzlich zu den abstehenden Borstenhaaren vorhanden sind. Allerdings ist dieses Merkmal - wie sich heute herausgestellt hat - durchaus variabel insofern, dass die anliegende Behaarung auch fast fehlen kann!
Die zweithäufigste Art dieser Schlagfluren ist Galeopsis tetrahit, die bei uns meist weißblütig auftritt; Pflanzen mit rosafarbenenen Blüten gibt es zwar auch, aber sie waren heute deutlich seltener zu finden. Diese Art hat ebenso verdickte Stängel unter den Knoten, und die Stängel sind stark abstehend borstenhaarig; weiche anliegende Haare wie bei G. pubescens habe ich mit Ausnahme der Knoten, wo sie tw. sehr wohl ausgebildet sind, an den Stängeln nicht sehen können. Die Kronröhren sind deutlich kürzer als bei G. pubescens und die Blüten damit deutlich kleiner als bei dieser Art.
Zerstreut fand sich auch die unverwechselbare Galeopsis speciosa in den heute untersuchten Schlagfluren. Auch bei dieser Art sind die Stängel unter den Knoten verdickt, Borstenhaare sind an den Stängeln je nach Individuum und Stängelbereiche sehr variabel ausgebildet (zerstreut bis sogar fehlend); anliegende Haare am Stängel habe ich nicht gesehen. Auffallend war heute an den von mir untersuchten Pflanzen eine bläuliche, abwischbare Bereifung an den Stängeln (ähnlich Salix daphnoides), die ich bei den anderen Galeopsis-Arten bislang nicht gesehen habe. Die Blüten dieser Art sind natürlich aufallend aufgrund ihrer Größe und ihres markanten Farbmusters, wobei v.a. die tieflila Unterlippe diese Art unverkennbar macht.
Selten fand ich heute schließlich auch noch die rosablühende Galeopsis pubescens ssp. pubescens und zwar syntop inmitten der Massen von Galeopsis pubescens ssp. murriana. Da beide Unterarten offenbar häufig zusammen auftreten, was ich auch schon andernorts in Osttirol und im benachbarten Kärnten beobachtet habe, ist deren taxonomische Wert zu bezweifeln (H. Niklfeld, mündl. Mitt.). G. pubescens ssp. pubescens ist bis auf die Blütenfarbe in den Merkmalen zur murriana ident. Bemerkenswert heute war aber auch, dass diese Sippe wie die murriana gleichfalls deutlich verdickte Stängel unter den Knoten aufwies - diese stehen den Verdickungen von G. tetrahit um nichts nach.
Und dann fand ich in einem Einzelindivuum noch eine für mich sehr spannende Form und zwar wies deren Blüten eine einheitlich lila Unterlippe auf, nur waren die Blüten deutlich kleiner als bei Galeopsis speciosa. Auch eine gelbliche Oberlippe wie bei dieser Art war nicht vorhanden sondern die Oberlippe war weiß. Der Knoten war verdickt, der Stängel nur zerstreut borstig. Aufgrund dieser Merkmale würde ich eine Hybride zwischen Galeopsis speciosa und einer weißblütigen G. tetrahit , falls es eine solche gibt, vermuten. Auch die unklare G. pernhofferi schaut - zumindest nach der Internetseite "Blumen in Schwaben" - ähnlich aus.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass ich Galeopsis bifida, G. ladanum und G. angustifolia heute in diesen Schlagfluren nicht gesehen habe.
Fazit:
1) Die Unterscheidung von G. pubescens und G. tetrahit anhand der Stängelverdickungen funktioniert in der Praxis nicht, da die erstegenannte Art ebenso stark verdickte Stängel unter den Knoten aufweisen kann. Als gutes Merkmal funktioniert zwischen diesen beiden Arten die unterschiedliche Länge der Kronröhre am besten.
2) G. pubescens ssp. pubescens und ssp. murriana treten oft syntop auf, sodass deren taxonomischer Wert fraglich ist. In der Praxis sind diese beiden Farbmorphen jedoch klar ansprechbar.
3) Die Angabe in der EFÖLS, wonach die Stängel von Galeopsis speciosa unter den Knoten steif behaart sind, ist abzuschwächen.
4) Die vermeintliche Hybride zwischen Galeopsis speciosa und einer weißblütigen G. tetrahit bleibt abzuklären.
5) Die Richtigkeit der von mir in diesem Forum geposteten Hybriden G. pubescens x tetrahit ist zu hinterfragen; auch eine reine G. pubescens könnte hier - wie übrigens auch bei der von Norbert abgebildeten G. x pernhofferi-Pflanze - vorliegen!
Viele Grüße
Oliver
Heute habe ich mir in Osttirol die derzeit reich blühenden Bestände von Galeopsis (Hohlzahn) noch einmal genauer angeschaut, dies nicht zuletzt aufgrund der letzten (vermeintlichen) Angaben für die Galeopsis-Bastarde in diesem Forum (vgl. viewtopic.php?f=10&p=4265#p4265). Ich war dazu in jungen Schlagfluren (vormals Fichtenforste) am Fuß der silikatischen Schobergruppe auf rd. 700 msm nahe Nussdorf-Debant unterwegs.
Nachfolgend darf ich meine Ergebnisse hier vorstellten und lade alle ein, sich mit dieser gar nicht so unspannenden und durchaus ästhetisch blühenden Gattung näher zu beschäftigen sowie Bilder und Diskussionsbeiträge hier im Sinne eines kleinen Workshops bzw. "Workshöpchen" zu posten.
Ich beginne die Aufzählung mit der in den genannten Schlagfluren häufigsten Sippe, schließe die Sippenaufzählung mit einem Einzelfund einer interessanten, aber fraglichen Hybride und füge noch ein kleines Fazit dazu:
Die weitaus häufigste Sippe in den heute untersuchten Schlagfluren ist unzweifelhaft Galeopsis pubescens ssp. murriana, die gelblich oder weißliche Blüten aufweist, deren Kronröhren deutlich länger als jene von G. tetrahit sind. Allerdings sind die Stängel der von mir untersuchten Individuen (und ich habe heute viele untersucht!) unter den Knoten deutlich verdickt, was sie lt. EFÖLS 2008 nicht sein sollten. Ein weiteres Differenzialmerkmal zu G. tetrahit sind lt. EFÖLS am Stängel anliegende Haare, die zusätzlich zu den abstehenden Borstenhaaren vorhanden sind. Allerdings ist dieses Merkmal - wie sich heute herausgestellt hat - durchaus variabel insofern, dass die anliegende Behaarung auch fast fehlen kann!
Die zweithäufigste Art dieser Schlagfluren ist Galeopsis tetrahit, die bei uns meist weißblütig auftritt; Pflanzen mit rosafarbenenen Blüten gibt es zwar auch, aber sie waren heute deutlich seltener zu finden. Diese Art hat ebenso verdickte Stängel unter den Knoten, und die Stängel sind stark abstehend borstenhaarig; weiche anliegende Haare wie bei G. pubescens habe ich mit Ausnahme der Knoten, wo sie tw. sehr wohl ausgebildet sind, an den Stängeln nicht sehen können. Die Kronröhren sind deutlich kürzer als bei G. pubescens und die Blüten damit deutlich kleiner als bei dieser Art.
Zerstreut fand sich auch die unverwechselbare Galeopsis speciosa in den heute untersuchten Schlagfluren. Auch bei dieser Art sind die Stängel unter den Knoten verdickt, Borstenhaare sind an den Stängeln je nach Individuum und Stängelbereiche sehr variabel ausgebildet (zerstreut bis sogar fehlend); anliegende Haare am Stängel habe ich nicht gesehen. Auffallend war heute an den von mir untersuchten Pflanzen eine bläuliche, abwischbare Bereifung an den Stängeln (ähnlich Salix daphnoides), die ich bei den anderen Galeopsis-Arten bislang nicht gesehen habe. Die Blüten dieser Art sind natürlich aufallend aufgrund ihrer Größe und ihres markanten Farbmusters, wobei v.a. die tieflila Unterlippe diese Art unverkennbar macht.
Selten fand ich heute schließlich auch noch die rosablühende Galeopsis pubescens ssp. pubescens und zwar syntop inmitten der Massen von Galeopsis pubescens ssp. murriana. Da beide Unterarten offenbar häufig zusammen auftreten, was ich auch schon andernorts in Osttirol und im benachbarten Kärnten beobachtet habe, ist deren taxonomische Wert zu bezweifeln (H. Niklfeld, mündl. Mitt.). G. pubescens ssp. pubescens ist bis auf die Blütenfarbe in den Merkmalen zur murriana ident. Bemerkenswert heute war aber auch, dass diese Sippe wie die murriana gleichfalls deutlich verdickte Stängel unter den Knoten aufwies - diese stehen den Verdickungen von G. tetrahit um nichts nach.
Und dann fand ich in einem Einzelindivuum noch eine für mich sehr spannende Form und zwar wies deren Blüten eine einheitlich lila Unterlippe auf, nur waren die Blüten deutlich kleiner als bei Galeopsis speciosa. Auch eine gelbliche Oberlippe wie bei dieser Art war nicht vorhanden sondern die Oberlippe war weiß. Der Knoten war verdickt, der Stängel nur zerstreut borstig. Aufgrund dieser Merkmale würde ich eine Hybride zwischen Galeopsis speciosa und einer weißblütigen G. tetrahit , falls es eine solche gibt, vermuten. Auch die unklare G. pernhofferi schaut - zumindest nach der Internetseite "Blumen in Schwaben" - ähnlich aus.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass ich Galeopsis bifida, G. ladanum und G. angustifolia heute in diesen Schlagfluren nicht gesehen habe.
Fazit:
1) Die Unterscheidung von G. pubescens und G. tetrahit anhand der Stängelverdickungen funktioniert in der Praxis nicht, da die erstegenannte Art ebenso stark verdickte Stängel unter den Knoten aufweisen kann. Als gutes Merkmal funktioniert zwischen diesen beiden Arten die unterschiedliche Länge der Kronröhre am besten.
2) G. pubescens ssp. pubescens und ssp. murriana treten oft syntop auf, sodass deren taxonomischer Wert fraglich ist. In der Praxis sind diese beiden Farbmorphen jedoch klar ansprechbar.
3) Die Angabe in der EFÖLS, wonach die Stängel von Galeopsis speciosa unter den Knoten steif behaart sind, ist abzuschwächen.
4) Die vermeintliche Hybride zwischen Galeopsis speciosa und einer weißblütigen G. tetrahit bleibt abzuklären.
5) Die Richtigkeit der von mir in diesem Forum geposteten Hybriden G. pubescens x tetrahit ist zu hinterfragen; auch eine reine G. pubescens könnte hier - wie übrigens auch bei der von Norbert abgebildeten G. x pernhofferi-Pflanze - vorliegen!
Viele Grüße
Oliver