Nun ein kulturhistorischer Exkurs. Der Glasweiner Wald, der wie ein natürlicher Riegel im schon lange dicht besiedelten Weinviertel liegt, ist von einem dichten Netz an Wegen durchzogen. Auffällig ist ein gut ausgebauter, weitgehend ebener Weg der entlang der Höhenrücken verläuft und in der amtlichen Karte als "Hochstraße" verzeichnet ist. Quer dazu verlaufen steilere Wege die von der umliegenden Agrarlandschaft auf den bewaldeten Hügelrücken hinaufführen und oftmals durch die lange Benützung als Hohlwege eingeschnitten sind. Dieses Wege und speziell die Hochstraße dienten sicher bereits seit Jahrhunderten als wichtige Verbindungen zwischen Ortschaften. Die auffallend mobile Bevölkerung der Frühen Neuzeit war v.a. zu Fuß, eventuell mit Zugtieren unterwegs und man kann sich vorstellen wie viele Menschen dort bereits die Wege gekreuzt haben und im Wald Rastpausen einlegten. An Kreuzungen dienten v.a. religiöse Denkmäler als Orientierungshilfe. Ein solches ist das Wichtenkreuz, das an der Kreuzung zwischen der Hochstraße und dem Weg zwischen Porrau und Kleinstetteldorf liegt. Leider konnte ich nichts in der Literatur darüber finden, weder im Dehio noch in der Kunsttopographie, da der Band des Bezirks Hollabrunn noch fehlt. Daher versuche ich eine Beschreibung. Etwas versteckt im Wald neben der Hochstraße gelegen, handelt es sich um einen abgefasten Pfeiler mit Tabernakelaufsatz und Steinkreuzbekrönung:
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_162450.jpg (560.3 KiB) 3848 mal betrachtet
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_163352.jpg (626.41 KiB) 3848 mal betrachtet
Die Tabernakelseiten enthalten plastische Darstellungen und zwar ein Kruzifix,
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_162709.jpg (422.32 KiB) 3848 mal betrachtet
die hl. Familie
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_162801.jpg (452.68 KiB) 3848 mal betrachtet
und den hl. Antonius von Padua, Schutzpatron der Bäcker, Schweinehirten, Bergleute, Reisenden (passt gut) und Sozialarbeiter:
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_162532.jpg (507.8 KiB) 3848 mal betrachtet
Auf der Rückseite ein Sinnspruch: "THUE RECHT / FORCHTE GOTT / SCHEUCH NIE- / MANT GOTT / SICHT ALLES" (vgl.
hier):
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_162653.jpg (520.12 KiB) 3848 mal betrachtet
Am Schaft erfahren wir etwas über die Errichtung des Tabernakelpfeilers: "1707 HAT HERR / JOHANNES WIC- / HT DAS CREIZ / ANHERO GOTT / ZU EHRN SETZEN / LASEN".
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_162933.jpg (594.15 KiB) 3848 mal betrachtet
Das kulturhistorisch interessanteste Detail sind jedoch aus meiner Sicht die zahlreichen Eingravierungen am Schaft, die in späterer Zeit durch Reisende, die hier am Kreuz lagerten, angebracht wurden. Menschen aus unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlicher Herkunft haben sich hier verewigt, vielleicht auch über Gaunerzinken miteinander kommuniziert. Warum sie dort gingen, wohin sie wollten, was sie dabei dachten und fühlten, das werden wir wohl nie herausfinden können.
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_162552.jpg (525 KiB) 3848 mal betrachtet
- Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
- 20200807_162608.jpg (573.43 KiB) 3848 mal betrachtet