Bevor es im Weinviertel phänologisch richtig los geht, möchte ich die Zeit nützen um noch allgemeine Punkte über die Wälder der HMF festzuhalten. Viele Menschen, auch Naturschützer, haben ein völlig falsches Bild von Natur und halten diese für stabil bzw. einem Endzustand zustrebend, weshalb jeglich Art von Störungen abgewendet werden müssten. Tatsächlich ist Natur jedoch immer dynamisch und immer von Störungen wie Waldbränden, Windbruch, Lawinen, Insektenfraß, Borkenkäfern, Pathogenen usw. geprägt. Diese Störungen setzen Teile von Ökosystemen zurück, indem sie lebende Biomasse beseitigen und die Ressourcen neu verteilen. Danach setzt sich die Sukession von einem niedrigeren Niveau wieder fort, wobei nach einem "Reset" auf verschiedenen Flächen verschiedene Pflanzengesellschaften neu entstehen können und daher auch keine eindeutige Klimaxgesellschaft existiert. Jedenfalls wird durch diese Störungen die Artenvielfalt erhöht, da unterschiedliche Lebenräume und Suzessionstadien für unterschiedlichen Arten geeignet sind. Man geht davon aus, dass mittlere Störungen die höchste Biodiversität induzieren. Eine höhere Biodiversität macht Ökosysteme potentiell resilienter, da der Ausfall einzelner Arten dann von anderen Arten eher kompensiert werden kann.
Die Wälder Mitteleuropas wurden früher insbesondere durch Großherbivoren wie z.B. Wildpferd, Urrind, Auerochse und Europäischer Waldelefant geprägt, die diese durch (selektiven) Fraß und Betritt störten und somit auflichteten, Flächen teilweise waldfrei hielten und die Artzusammensetzung beeinflussten. All diese Großherbivoren wurden mit hoher Sicherheit durch den Menschen ausgerottet, weshalb das Störungsregime heute nicht mehr das natürliche ist, selbst wenn der Mensch nicht mehr eingreift. Sogenannte Urwälder und Wildnisse in Mitteleuropa sind daher nicht als solche zu bezeichnen, sondern stellen künstliche, vom Menschen beeinflusste Lebensräume dar, die so nicht existieren würden, wäre der Mensch nie dagewesen. Jedoch kompensierte und kompensiert die traditionelle Landwirtschaft wie auch die traditionelle Mittelwaldbewirtschaftung - früher zudem die Waldweide - den Ausfall der Großherbivoren bzw. übernahm deren Rolle und bewahrte viele Elemente der Urlandschaft. Durch den regelmäßigen Holzeinschlag hielt nun der Mensch die Wälder offen. Viele lichtliebende Arten könnten in Mitteleuropa ohne diese Störungen, ob nun durch Tiere oder Mensch verursacht, nicht überleben und würden aussterben, weshalb die Aufrechterhaltung der traditionellen Bewirtschaftung für die Erhaltung Artenvielfalt essentiell ist. Vgl. dazu
Wohlgemuth & al. 2019.