Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
- Stefan Lefnaer
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Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
Ich möchte hier einen eigenen Thread öffnen in dem die Ansprüche verschiedener Arten an Bodenkennwerte wie Reaktionszahl, Kalkgehalt und Bodenart (z.B. lehmige, sandige, schottrige usw. Böden) diskutiert werden können. Sicher kennt und nutzt jeder die Bodenkarte, welche eine sehr wertvolle Quelle bei der Kartierung, auch bei der gezielten Suche nach bestimmten Arten, sein kann. Auch kennt sicher jeder die Zeigerwerte nach Ellenberg bzw. die Bearbeitung durch G. Karrer auf der Boku-Webseite. Was mich an diesen Zeigerwerten stört ist die Tatsache, dass nur die Reaktionszahl, nicht aber die Kalk-Affinität bzw- Aversion bewertet wurde. Letzteres wird teilweise in anderen Werken, wie z.B. Fischer et al. (2008), angegeben, allerdings nicht für alle Arten. Teilweise gibt es hier auch Widersprüche, d.h. Arten die sich auf der Skala gegenüber stehen aber teilweise trotzdem syntop auftreten.
- Stefan Lefnaer
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Re: Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
Ein erstes Beispiel ist mir bereits 2017 untergekommen, nämlich Papaver argemone am Steinbruchberg bei Schletz. Siehe hierzu Lefnaer (2018). In diesem Bereich, dem Zaya-Gate, schneiden sich Hollabrunn-Mistelbach-Formation (HMF) und Waschbergzone (WZ). Die WZ ist durch eine Jura-Kalkklippe vertreten, die Böden herum sind jedoch laut Bodenkarte teilweise kalkfrei, was den meist kalkfreien Schottern und Sanden der HMF geschuldet sein dürfte. Also eine komplizierte Situation. Heute konnte ich zahlreich Papaver argemone VU , im Pann EN und Caucalis platycarpos subsp. platycarpos VU dort direkt nebeneinander (erste zwei Bilder) beobachten:
P. argemone ist laut Zeigerwerten R5 (Mäßigsäurezeiger, auf stark sauren bis alkalischen Böden selten) und laut Fischer et al. (2008) "kalkmeidend". C. p. subsp. platycarpos ist hingegen R9 (Basen- und Kalkzeiger, stets auf kalkreichen Böden) und "kalkliebend". Trotzdem wachsen sie hier direkt nebeneinander. Der Boden, der mit zahlreichen Brocken aus Ernstbrunner Kalkstein durchsetzt ist, scheint also für beide zu passen!
In allen anderen Fällen habe ich P. argemone bisher tatsächlich auf eindeutig kalkfreien oder -armen Böden gefunden. Welche Erfahrungen habt ihr hier gemacht?
Etwas weiter unten am Hang dann übrigens eine weitere "kalkholde" R8-Art, nämlich Teucrium botrys VU (neu für 7464-2):
P. argemone ist laut Zeigerwerten R5 (Mäßigsäurezeiger, auf stark sauren bis alkalischen Böden selten) und laut Fischer et al. (2008) "kalkmeidend". C. p. subsp. platycarpos ist hingegen R9 (Basen- und Kalkzeiger, stets auf kalkreichen Böden) und "kalkliebend". Trotzdem wachsen sie hier direkt nebeneinander. Der Boden, der mit zahlreichen Brocken aus Ernstbrunner Kalkstein durchsetzt ist, scheint also für beide zu passen!
In allen anderen Fällen habe ich P. argemone bisher tatsächlich auf eindeutig kalkfreien oder -armen Böden gefunden. Welche Erfahrungen habt ihr hier gemacht?
Etwas weiter unten am Hang dann übrigens eine weitere "kalkholde" R8-Art, nämlich Teucrium botrys VU (neu für 7464-2):
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Re: Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
Dazu ein Eindruck aus den Alpen: In Zonen, in denen Kalk- und Silikatgesteine sich auf engstem Raum abwechseln, ist die Flora in der Regel besonders reichhaltig. Dabei kann es sein, dass sich manche Arten ganz strikt an ihre Präferenzen halten und keinesfalls auch nur geringe Mengen Kalk vertragen/mögen oder eben nicht. Andererseits gibt es auch etliche Arten, die man nicht so einfach über die Geologie kartieren kann, da sie in Ausnahmefällen auch mal die "chemische" Seite wechseln. Auf jeden Fall ein spannendes Thema!
Peter Pilsl
SABOTAG
SABOTAG
Re: Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
Dazu kann ich dieses Buch empfehlen, welches ich schon einige Jahr ein Verwendung habe :-)
LG Reini BR
Re: Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
Liebe Kollegen,
Aktuell arbeite ich gerade an der "Neuauflage" der Zeigerwerte der Gefäßpflanzen Österreichs. Mit Glück kommen sie sogar noch in die 4. Auflage der Exkursionsflora....
Ich muss festhalten, dass die Zeigerwerte wie sie auf der BOKU-homepage stehen ein Provisorium sind, welches ich 1992 als Ergänzung zum vegetationskundlichen Auswertungspaket HITAB5 erzeugt habe. Es basiert im wesentlichen auf vielen intensiv bearbeiteten Waldpflanzen Österreichs (ca. 1500) als auch auf einer (wegen nicht ausreichendem Datenmaterial) simplen Übernahme der Einstufungen anderer Arten von Ellenberg 1992 (- mit all seinen Fehlern insbes. bei den alpinen Arten). Andere Werte aus Nachbarländern existierten damals noch nicht oder waren digital noch nicht verfügbar.
Es zeigt sich nun, dass bei kaum einer Art nicht Nachjustierungen erforderlich sind. Die Einstufungen werden sich sicher oft verändern.
Zu den Arten mit bimodaler Standortsbindung: solche gibt es oft, nicht nur bezogen auf die Reaktionszahl (Frangula alnus, Genista pilosa u.v.a.m.), auch bei der Feuchtezahl gibt es solche Kuriositäten (Frangula alnus!). In solchen Fällen gibt es entlang einer linearen Skala kein einzelnes Optimum, sondern zumindest 2 Optima, was sich aber durch eine einfache Zahl nicht darstellen lässt. Eine "mittlere" F-Zahl bei Frangula alnus oder Sesleria varia wäre sogar ausgesprochen irrig. Hier bleibt nichts anderes übrig als diese Arten jeweils als indifferent einzustufen. AMplituden, wie bei Ehrendorfer et al. 1972 (NG Wiens) wären auch nicht korrekt. Die Angabe von 2 separaten Optima lässt eine simple Auswertung für vegetationskundliche Zwecke nicht zu.
Ich ersuche daher noch um Geduld bis zum Herbst.
Mit besten Grüßen! Gerhard Karrer
Aktuell arbeite ich gerade an der "Neuauflage" der Zeigerwerte der Gefäßpflanzen Österreichs. Mit Glück kommen sie sogar noch in die 4. Auflage der Exkursionsflora....
Ich muss festhalten, dass die Zeigerwerte wie sie auf der BOKU-homepage stehen ein Provisorium sind, welches ich 1992 als Ergänzung zum vegetationskundlichen Auswertungspaket HITAB5 erzeugt habe. Es basiert im wesentlichen auf vielen intensiv bearbeiteten Waldpflanzen Österreichs (ca. 1500) als auch auf einer (wegen nicht ausreichendem Datenmaterial) simplen Übernahme der Einstufungen anderer Arten von Ellenberg 1992 (- mit all seinen Fehlern insbes. bei den alpinen Arten). Andere Werte aus Nachbarländern existierten damals noch nicht oder waren digital noch nicht verfügbar.
Es zeigt sich nun, dass bei kaum einer Art nicht Nachjustierungen erforderlich sind. Die Einstufungen werden sich sicher oft verändern.
Zu den Arten mit bimodaler Standortsbindung: solche gibt es oft, nicht nur bezogen auf die Reaktionszahl (Frangula alnus, Genista pilosa u.v.a.m.), auch bei der Feuchtezahl gibt es solche Kuriositäten (Frangula alnus!). In solchen Fällen gibt es entlang einer linearen Skala kein einzelnes Optimum, sondern zumindest 2 Optima, was sich aber durch eine einfache Zahl nicht darstellen lässt. Eine "mittlere" F-Zahl bei Frangula alnus oder Sesleria varia wäre sogar ausgesprochen irrig. Hier bleibt nichts anderes übrig als diese Arten jeweils als indifferent einzustufen. AMplituden, wie bei Ehrendorfer et al. 1972 (NG Wiens) wären auch nicht korrekt. Die Angabe von 2 separaten Optima lässt eine simple Auswertung für vegetationskundliche Zwecke nicht zu.
Ich ersuche daher noch um Geduld bis zum Herbst.
Mit besten Grüßen! Gerhard Karrer
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Re: Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
lieber gerhard
eine tabellarische, nicht einzelartenbezogene, runterladbare einstufungsübersicht wäre natürlich besonders benutzerfreundlich.
ich gebe noch zu bedenken, dass viele als "magerzeiger" geltende arten nix anderes als konkurrenzflieher sind und die N-zahl damit nicht zufriedenstellend assoziiert ist. da wirkt auch die lichtzahl mit.
als referenz für diese aussage dienen mir unsere prellenkirchner scherrasenerkenntnisse, wonach am gleichen standort bei langjährig einmal jährlichem häckseln ein üppiges arrhenatherum-ailanthusdickicht möglich ist, bei fünfmaligem häckseln bereits zahlreiche "magerkeitszeiger" auftreten, deren anteile dann bei vielfachmahd als scherrasen weiter zunehmen, auch wenn niemals schnittgutabtransport stattfindet und luftstickstoff zusätzlich einfließt. letztlich gehts an diesen standorten bis hin zu hieracium pilosella-monodominanzen (die ja nicht grad als stickstoffzeiger gilt).
wie man dieses dilemma sinnig auflöst, entzieht sich aber meiner phantasie.
mit besten grüßen
kurt
eine tabellarische, nicht einzelartenbezogene, runterladbare einstufungsübersicht wäre natürlich besonders benutzerfreundlich.
ich gebe noch zu bedenken, dass viele als "magerzeiger" geltende arten nix anderes als konkurrenzflieher sind und die N-zahl damit nicht zufriedenstellend assoziiert ist. da wirkt auch die lichtzahl mit.
als referenz für diese aussage dienen mir unsere prellenkirchner scherrasenerkenntnisse, wonach am gleichen standort bei langjährig einmal jährlichem häckseln ein üppiges arrhenatherum-ailanthusdickicht möglich ist, bei fünfmaligem häckseln bereits zahlreiche "magerkeitszeiger" auftreten, deren anteile dann bei vielfachmahd als scherrasen weiter zunehmen, auch wenn niemals schnittgutabtransport stattfindet und luftstickstoff zusätzlich einfließt. letztlich gehts an diesen standorten bis hin zu hieracium pilosella-monodominanzen (die ja nicht grad als stickstoffzeiger gilt).
wie man dieses dilemma sinnig auflöst, entzieht sich aber meiner phantasie.
mit besten grüßen
kurt
- Stefan Lefnaer
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Re: Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
Ich möchte diese Serie nun fortführen. Vielleicht wollen andere auch mitmachen. Im folgenden wieder ein solch ein seltsames Paar, bestehend aus der kalkmeidenden Myosotis stricta (neu für Qu. 7764-2) und der kalkliebenden Hornungia petraea (vgl. Lefnaer (2020)). Aufgenommen in der Industriebrache bzw. Stadtwildnis Grellgasse.
- Jürgen Baldinger
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Re: Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
Zu ökologisch auffälligen Syntopien siehe auch hier.
"(...) gib ihnen noch zwei südlichere Tage (...)"
- Stefan Lefnaer
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Re: Ansprüche von Arten an Bodenkennwerte
Heute bei Hollabrunn auf einer trockenen Magerwiese am Waldrand ein auf den ersten Blick seltsames Paar, Polygala major EN und Polygala amarella LC , im PA EN (die kleine P. amarella jeweils separat herausgestellt):
Ein Blick in die Zeigerwerte (ZWÖ24) zeigt aber, dass diese Paarung keineswegs abwegig ist und die Zeigerwerte der beiden Arten durchaus gut zusammenpassen:
Polygala amarella: L8 Ti K5 Fi R8 N2 S0
Polygala major: L8 T7 K7 F3~ R8 N3 S0
Ein Blick in die Zeigerwerte (ZWÖ24) zeigt aber, dass diese Paarung keineswegs abwegig ist und die Zeigerwerte der beiden Arten durchaus gut zusammenpassen:
Polygala amarella: L8 Ti K5 Fi R8 N2 S0
Polygala major: L8 T7 K7 F3~ R8 N3 S0
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