Rubus subg. Rubus für Anfänger (Brombeeren iwS)

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Hermann Falkner
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Rubus subg. Rubus für Anfänger (Brombeeren iwS)

Beitragvon Hermann Falkner » Mittwoch 28. Juli 2021, 09:36

Ich möchte etwas Werbung für die Brombeer-Exkursion kommenden Samstag machen (31.07.): ich war selbst auf der vom 10.07. (Laab im Walde), eigentlich nur mit der Erwartungshaltung, wenigstens ein wenig in das Thema hineinzuschnuppern - und genau das ist auch draus geworden, plus (zu meiner eigenen Überraschung!) auch ein bisserl Interesse für diese so schwierige Gruppe.
Leider hab ich mir sogar von den Basics (trotz Mitschrift) nur einen kleinen Teil merken können bzw. bin ich bei der Zuordnung meiner Mitschrift zu den gemachten Bildern mehrfach gar nicht so sicher, dass ich richtig zugeordnet habe ... - ich wäre daher gern auch zur Exkursion am 31.07. gekommen, bin aber leider verhindert.

Wolfgang Gregor hat die Exkursion am 10.07. geführt (mit M. A. Fischer, Wolfgang Willner war auch mit dabei); unsere Route hat von Laab im Walde nach Breitenfurt geführt - er schreibt auch den Rubus-Schlüssel für die 4. Auflage: in dieser werden viele Arten aus der 3. Auflage gestrichen, die von der Weber-Schule nicht akzeptiert werden, dafür kommen eine Menge neuer Arten hinzu, die Anzahl der Rubus-Arten wird also +/- gleich bleiben.
Mehr oder weniger ganz gestrichen wird die ser. Glandulosi, weil diese in Österreich möglicherweise überwiegend sexuell sind und fast nur Hybridschwärme bilden, so genau weiss man das allerdings noch nicht, nach M.A.F. wollte es Heinrich Weber seinen Nachfolgern bzw. den Österreichern überlassen, sich näher damit zu befassen.

Von diesen Glandulosen haben wir gleich einige gesehen; 2 Bilder anbei: man erkennt sie an der grossen Zahl von gestielten Drüsen - im Schlüssel ist das dann genau angeführt, hab ich mir nicht mitnotiert: man muss die Drüsen auf 1 cm Länge zählen (sowohl am 1jährigen Schössling als auch am 2jährigen Blühtrieb! - meist sind beide Triebe gleichermassen "glandulös", es gibt aber Übergangsformen); da Brombeeren meist 5kantig sind, reicht es, eine Seite zu zählen und mit 5 zu multiplizieren (bzw bei runden Stengeln ein geschätztes Fünftel zählen) - das ist also einfacher, als man meinen könnte; die ser. Glandulosa kann man im Feld also durchaus bestimmen - halt nur bis zur Serie ...

Ein Schlüssel, mit dem man nicht bis zur Art bestimmen kann, ist natürlich etwas unbefriedigend, aber so ist der Stand der Dinge derzeit leider eben (in Tschechien läuft dzt ein Brombeer-Projekt, mit begleitenden genetischen Untersuchungen, vielleicht weiss man bald einmal mehr dazu).
Wolfgang Willner hat auf Exkursion hier dann auch eingewandt, dass zumindest die (glandulöse) Sippe Rubus hirtus "gerettet" werden sollte, da in vielen pflanzensoziologischen Aufnahmen enthalten ...

Abgesehen von den - mutmasslich - sexuellen und zu wenig erforschten glandulösen Sippen sind die heimischen Rubus-Arten ja überwiegend agamospermisch, die Kleinarten werden daher auch als Arten beschrieben, da "normalerweise" kein Genfluss stattfindet - es sind also (überwiegend) klonale Sippen.
Fallweise kommt es aber eben doch auch zu Hybriden zwischen diesen klonalen Sippen - und daraus entstehen ständig neue Arten, da diese wiederum agamospermisch sind.

Um den Wildwuchs an Artbeschreibungen einzudämmen, hat die Weber-Schule eine Mindestarealgrösse von 50 km festgelegt - das Areal einer Rubus-Art muss mind. 50 km gross sein (gerechnet auf die grösste Ausdehnung, wenn ein Areal zB oval oder länglich ist), damit die Art als solche akzeptiert wird.
Das ist zwar ein ziemlich arbiträres Kriterium, und passt wohl auch aufs Flachland besser als auf hügeliges bis alpines Gelände, wo kleinere Areale für eine "gute" Art vielleicht zu rechtfertigen sind, aber so ist es zur Zeit eben mal festgelegt.
Josef Danner, der den Schlüssel für die 3. Auflage geschrieben hat, folgt diesem Kriterium nicht, auch daher müssen einige von ihm beschriebene Arten gestrichen werden.
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Hermann Falkner
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Re: Rubus subg. Rubus für Anfänger (Brombeeren iwS)

Beitragvon Hermann Falkner » Mittwoch 28. Juli 2021, 10:06

Gleich zu Beginn haben wir im Garten des Klosters von Laab im Walde eine Brombeere zu bestimmen versucht, bei der auch gleich ein weiteres Problem an den Tag getreten ist: es dürfte sich um Rubus armeniacus gehandelt haben, aber in etwas untypischer Ausprägung, da die Stacheln bei R. armeniacus gerader sein sollten, als bei diesem Exemplar vorgefunden: die Stacheln würden eher auf Rubus praecox verweisen, sonst aber alles auf Rubus armeniacus.

Wolfgang Gregor hat dazu dann gemeint, dass man bei Rubus durchaus akzeptieren kann, wenn ein einziges Merkmal nicht passt: er hätte hier also auf Rubus armeniacus bestimmt. Möglich wäre aber auch eine Hybride armeniacus x praecox. Ausserdem müsse man bei Rubus eben immer damit rechnen, dass man auch nicht bis zur Art bestimmen kann.

Die verwandschaftlichen Zusammenhänge zwischen den Rubus-Arten sind übrigens nicht linear, sondern netzartig - es gibt also alle möglichen Querverbindungen und auch die definierten "Serien" sind nicht bzw. nicht notwendig Abstammungslinien bzw. Verwandtschaftsgrade.
Die ser. Corylifolii (Haselblatt-Brombeeren) beispielsweise sind hybridogene Arten aus R. caesius und verschiedenen Arten von subg. Rubus, und auch sonst dürfte es ziemlich kreuz und quer gehen, wobei auch das noch näher zu untersuchen wäre (dh genetisch, mit Morphologie kommt man da nicht mehr sehr viel weiter).

Sehr viel mehr möcht ich dazu jetzt aber auch gar nicht mehr schreiben, ich hab so schon vermutlich den einen oder anderen sachlichen Fehler im Text eingebaut ;-) es wär jedenfalls interessant, wenn hier die eine oder andere +/- gut bestimmbare Art vorgestellt werden könnte.

Hier einmal Rubus (cf?!) armeniacus, wie auf der Exkursion besprochen:
- Blattunterseite weissfilzig, dh stark behaart, grüne Blattunterseite nicht sichtbar = ser. Discolores
- relevant ist an sich auch die Blattspreite der fünfzähligen Blätter: handförmig, dh vom selben Punkt entspringend (fussförmig: die beiden äusseren Blättchen entspringen nicht direkt am Blattstiel, sondern leicht abgesetzt am benachbarten Blättchen)
- Bestachelungsmerkmal (Anzahl etc) hab ich mir nicht genau notiert, jedenfalls sind die Stacheln wie angemerkt "eigentlich" zu stark gebogen (rückwärts gebogen = entspräche R. praecox)
- es gibt auch noch Blütenstandsmerkmale (Kelchblätter) und weitere Merkmale

Ich hab versucht, nach dem Danner-Schlüssel der 3. Auflage nachzubestimmen, muss aber gestehen, dass ich dabei gescheitert bin ;-) (obwohl ich das Ergebnis kenne!); bzw. in Retro-Analyse von Rubus armeniacus S. 520 zurückgehend muss ich einfach feststellen, dass ich viele Merkmale weder in der Mitschrift festgehalten noch in Bildern dokumentiert habe.

Der Schlüssel der 4. Auflage, nachdem wir bestimmt haben, ist aber anders aufgebaut. Wobei, einfach wird der auch nicht werden ;-)

Jedenfalls hätte ich zumindest "für mich" jetzt schon den Ehrgeiz entwickelt, zumindest so 7-10 der wichtigsten (und "guten") Rubus-Arten im Feld erkennen zu können - da bin ich natürlich längst noch nicht ;-)
Immerhin erkenne ich jetzt die ser. Glandulosi - nicht viel, aber doch ein kleines Erfolgserlebnis.
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Re: Rubus subg. Rubus für Anfänger (Brombeeren iwS)

Beitragvon Stefan Lefnaer » Mittwoch 28. Juli 2021, 11:10

Im Seminar am 14.11.2019 hat Michal Sochor Genaueres zum (damals) aktuellen Forschungsstand vorgetragen. Demnach gibt es 6-7 Basisarten, die aber noch nicht alle zweifelsfrei molekulargenetisch identifiziert werden konnten. Der Rest sind weitgehend asexuelle und stabilisierte Hybriden die aus diesen Basisarten entstanden sind und die in seltenen Fällen wieder miteinander hybridisieren und wieder etwas neues hervorbringen. Also im Grunde ein großer sexuell träger Hybridschwarm. Ob es sinnvoll ist in diesem Schwarm "Arten" zu beschreiben (und dabei völlig willkürliche Parameter wie die Arealgröße heranzuziehen), sei aus meiner Sicht dahingestellt. Das könnte man bei Draba verna s. lat. oder Potentilla verna agg. dann genauso gut manchen, dort verhält es sich ja im Prinzip auch so. Chenopodium album agg. ist wahrscheinlich auch so ein Schwarm. Man kann jedenfalls hoffen, dass die Molekulargenetik Licht ins Dunkel bringen wird und manches bisher Beschriebene dann wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen wird.

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Re: Rubus subg. Rubus für Anfänger (Brombeeren iwS)

Beitragvon Jürgen Baldinger » Mittwoch 28. Juli 2021, 13:20

Gute Idee, eine solche Serie hier, Hermann.

Eine Varietät einer Art (oder letztlich auch nur einer Hybride?), die ich mir einbilde zu erkennen und zwar aufgrund ihres Induments, mit dem sie schon aus der Distanz auffällt, sowie der rinnigen Laubblattstiel-Oberseiten, der fein bestachelten Blütenstiele, des kegeligen Blütenstands und des Standorts, scheint mir die wintergrüne R. canescens var. canescens zu sein, hier von Heiligenkreuz im Wienerwald.
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Rolf Marschner hat bei seinen "Botanischen Spaziergängen" hier sehr schön die gräuliche Blattfarbe der Varietät eingefangen; hier alle seine diesbezüglichen Fotobelege der Art.
"(...) gib ihnen noch zwei südlichere Tage (...)"

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Re: Rubus subg. Rubus für Anfänger (Brombeeren iwS)

Beitragvon Hermann Falkner » Mittwoch 28. Juli 2021, 20:15

Bei Varietäten der Kleinarten werde ich wohl nie "ankommen" ;-) - auch wenn R. canescens offenbar eine der "leichteren" Arten ist.

Die Arealgrösse als Kriterium finde auch ich willkürlich - und kann wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein -, aber die dzt dominierende Weber-Schule gibt hier halt den Ton an.
Das war in Mitteleuropa sicherlich auch schon 2019 so, Weber ist mittlerweile ja verstorben, an seiner Schule kommt man lt Wolfgang Gregor aber nach wie vor nicht vorbei, vielleicht bringen die tschechischen Studien hier aber grundlegende neue Erkenntnisse.

Die Basisarten - sofern man sie wirklich "gültig" beschreiben kann - machen meines Erachtens schon Sinn, wenn man sich anschaut, wie stark verschieden die Brombeeren sein können.
Wenn am Ende die ser. Glandulosi auf ein Taxon Rubus glandulosus und seine Hybriden reduziert wird, dann umso besser, fände ich, aber das werden die Batologen entscheiden. Und mich interessiert eigentlich nur das Ergebnis ;-)

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Jürgen Baldinger
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Re: Rubus subg. Rubus für Anfänger (Brombeeren iwS)

Beitragvon Jürgen Baldinger » Mittwoch 28. Juli 2021, 22:54

Geht mir bei Rubus sonst genauso; diese Varietät scheint mit der behaarten Oberfläche ihrer Schösslingslaubblätter tatsächlich aufzufallen, und sie ist halt geschlüsselt in der EföLS.
"(...) gib ihnen noch zwei südlichere Tage (...)"


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