Marchauen

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Jonas
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Marchauen

Beitragvon Jonas » Donnerstag 7. Juli 2022, 17:34

Hallo zusammen

Wenn alles gut geht, dann möchte ich diesen Juli mal in's Gebiet der Marchauen fahren und z.B. Marchegg als Ausgangspunkt nutzen (werde sicherlich mit dem Öffentlichen Verkehr unterwegs sein und vielleicht noch ein Fahrrad mieten). Habe Hoffnung auf Arten wie Scutellaria hastifolia, Veronica maritima, Urtica kioviensis, Cnidium dubium, Eryngium planum etc. etc. (alles halt Arten, welche es in der Schweiz nicht gibt).
Gibt es Empfehlungen für besonders interessante Gebiete in den Marchauen oder kann man eigentlich überall hingehen? Wie gut zugänglich ist das Gebiet eigentlich?
Freue mich über sämtliche Rückmeldungen :-)

Beste Grüsse
Jonas
“There are wonders enough out there without our inventing any.” Carl Sagan

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Hermann Falkner
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Re: Marchauen

Beitragvon Hermann Falkner » Donnerstag 7. Juli 2022, 21:40

Hallo Jonas,
Urtica kioviensis sollte man besser erst im Herbst suchen, ist uns bei der letzten Exkursion in Stillfried (vor wenigen Wochen) gesagt worden, im Sommer sei die sehr schwer zu finden (ich hab die bisher nur wenige Male gesehen, so 2-3x insgesamt!). Cnidium dubium ist gemäht worden, zweiten Aufwuchs solltest du aber finden können. (In Stillfried wird immer am oder kurz nach dem 15.06. gemäht, weil vor dem 15.06. nicht gemäht werden darf - wegen irgendeines Bläulings, der kurioserweise dort vermutlich gar nicht vorkommt, ist aber als FFH-Lebensraumtyp für diesen Bläuling festgesetzt worden und daher diese Vorschrift. Dort haben wir daher in den frisch gemähten Brenndoldenwiesen diese Charakterart nicht gesehen.) Eryngium planum hab ich selbst noch nicht in "freier Wildbahn" gesehen (bei der Stillfried-Exkursion auch nicht gezeigt), ist auch an der March nicht häufig.

Marchegg ist schon mal sicher kein schlechter Ausgangspunkt, insbes. ist da auch die Baumgartner Salzsteppe nicht weit weg, die liegt bei Schottergruben bei Baumgarten, Aster canus & Peucedanum officinale wächst dort (beide recht üppig, könntest du evtl auch schon in Blüte antreffen), die Fläche ist sonst nicht sehr artenreich, aber durchaus intressant - und auch die Sanddünen von Oberweiden sind von Marchegg aus leicht in Reichweite, ebenso die March-Auen bis zur Donau runter und bis Stillfried rauf (oder weiter, je nachdem, wie sportlich du am Radl bist); in Stillfried sind übrigens auch die Hügel am westlichen Ortsrand sehr intressant, Agropyron pectiniforme sollte es aber wohl fruchtend schon noch geben (nicht zu übersehen in einer Lindenallee, wenn man vom Dorfzentrum zum Friedhof raufgeht, ist uns bei der Exkursion im Juni in voller Blüte gezeigt worden).

Mit Öffis ist's dort gar nicht so einfach, insbes. Querverkehr die March rauf und runter, dh von zB Marchegg nach Stillfried wird's mit Öffis glaub ich schon sehr umständlich - da wär eindeutig das Fahrrad das Transportmittel meiner Wahl; von Marchegg nach Wien geht's aber mit der Bahn ruck-zuck. Achtung, der Bahnhof liegt ziemlich weit draussen, wohl über 3 km vom Ortszentrum (Schloss Marchegg) entfernt! Zu Fuss ist das vom Zentrum ganz schön ein langer (und eher nicht so spannender) Hatscher.

Auch ein Abstecher in die nahe Slowakei ist sehr zu empfehlen, in Marchegg gibt's zwar keine Brücke, aber ein Stück die March hinunter bei Orth ist eine Fussgänger/Radfahrer-Brücke, wenn du da rüberfährst, bist du gleich in einem tollen Sandgebiet - der Sandberg von Devínska Nová Ves, und weiter Richtung Bratislava der Thebener Kogel mit seinen tollen Trockenrasen. Die March-Au ist auf der slowakischen Seite auch eine Spur feuchter als auf österreichischer, hat uns auch der Stillfrieder Exkursionsleiter Zuna-Kratky mitgeteilt, und daher sind einige typische Arten der March-Auen auf slowakischer Seite häufiger. Und die slowakische Seite war ja ausserdem zur Zeit des "Eisernen Vorhangs" lange Zeit "Niemandsland" = das sogenannte "Grüne Band", während auf österreichischer Seite die Auen teils bis zur Grenze hin bewirtschaftet worden sind, das merkt man stellenweise auch.

Grundsätzlich also eh eine gute Wahl, Marchegg als Stützpunkt zu nehmen. Dort ist heuer die NÖ Landesausstellung, ist aber hinsichtlich Beherberungsbetrieben (Auslastung ...) wohl auch kein Problem, weil die meisten Landesausstellungsbesucher eh Tagesgäste sind.

Es gibt halt leider auch eine Down-Side - die langen Jahre der Dürre, seit 2013 kein "vernünftiges" Hochwasser mehr an der March (nur einige kleinere), und auch heuer immer noch Niederschlags-Rückstände, obwohl es zuletzt dann doch etwas geregnet hat, das wirkt sich natürlich auch auf die Flora aus, insbes. auf Au und Feuchtwiesen. Und für Mitte Juli ist uns schon grosse Hitze angedroht worden - derzeit ist's zwar relativ kühl, aber damit soll es angeblich bald vorbei sein.
Ausserdem sind die Wiesen sicher schon alle gemäht worden und für die 2. Blüte von zB Clematis integrifolia wird's wohl noch etwas zu früh sein.

Es wird aber trotzdem sicherlich genug zu sehen geben, schätze ich.

Ach ja: es gibt einige Naturschutzgebiete mit strengem Wegegebot - so im WWF-NSG March-Auen bei Marchegg; oder auch südlich von Marchegg. Ich bin da auch schon gelegentlich ... nein, das schreib ich nicht öffentlich :-) ... na jedenfalls, als Botaniker auf Abwegen könnte es schon mal vorkommen, dass man von einem Jäger oder einem Fischer eher auf "die Unfreundliche" begrüsst wird, das soll schon mal vorgekommen sein. - Dass man zur Vogel-Brutzeit nicht in sensible Gebiete reingeht, sollte auch für Botaniker selbstverständlich sein; aber welcher Vogel brütet im Hochsommer?

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Jonas
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Re: Marchauen

Beitragvon Jonas » Freitag 8. Juli 2022, 16:52

Hallo Hermann

Wie kann ich dir nur danken.... welch ausführliche Antwort!! Ich habe mir sie schon ausgedruckt und werde sie sicherlich als eine Art Reiseführer im Gebiet verwenden ;-)

Mir war gar nicht bewusst, dass die Stromtalwiesen 2x im Jahr gemäht werden und daher nun im Zweitaufwuchs natürlich noch etwas hintendrein hinken. Ebenso interessant ist deine Information, dass gewisse Arten wie Clematis integrifolia sogar 2x im Jahr blühen (auf diese Art habe ich gar nicht mehr zu hoffen gewagt...). Der erst erfolgte Schnitt gibt mir neben der angedrohten Hitzeperiode doch etwas zu denken. Ich bin glücklicherweise derzeit relativ flexibel, wann ich meine Ferien nehme. Ich habe mir deshalb überlegt, womöglich erst ca. vom 30.7 - 6.8. an die March zu fahren (ist mir natürlich bewusst, dass es dann genau so heiss sein kann). Das dürfte für gewisse Arten (z.B. Euphorbia lucida, Cardamine parviflora, Stellaria palustris...) halt vermutlich etwas zu spät sein, aber man kann halt (leider) nicht alles haben...

Sehr wertvoll auch deine Tipps zur slowakischen Seite und der Fussgängerbrücke! Ich habe bereits auf der Karte gesehen, dass die slowakische Seite nochmals deutlich wilder ausschaut. Muss also unbedingt auch einen Abstecher in die dortige Region einplanen inkl. den Sandbergen!

Hatte mir tatsächlich auch schon überlegt, dass ich, wenn ich in Marchegg und Region nichts finde, einfach jeweils halt von Wien anreisen könnte.... Ist aber über die Tage vielleicht dann doch etwas ermüdend... Ein Fahrrad wird für mich auf jeden Fall klar Pflicht sein, ich werde sicherlich in der Region dann eines auftreiben können!

Und wenn jemand noch eine Webseite mit guten Informationen zum Gebiet der Marchauen kennt, bin ich natürlich auch immer sehr interessiert!

Nächstes Wochenende reise ich zuerst noch für ein paar Tage in die Bergamasker Alpen in Italien. Da freue ich mich auch bereits sehr darauf (auch wenn's ein bisschen spät ist bereits für die Region) :-)

Beste Grüsse
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Re: Marchauen

Beitragvon Hermann Falkner » Freitag 8. Juli 2022, 17:15

Naja, zur Mahd hat uns Zuna-Kratky gesagt, dass die 2. Mahd vom Wetter abhängt: die Bauern mähen in Stillfried nur dann nochmals, wenn es sich wirtschaftlich lohnt - wenn zu wenig Gras steht, dann bleiben die einmahdig. Zweitaufwuchs Ende Juli/Aug sollte ganz gut passen, schäzte ich. Und nein, Wien als Wohnplatz ist so verkehrt gar nicht! sowohl Marchegg als auch Stillfried/ bis nach Rabensburg rauf ist super mit der Bahn erreichbar, Nachteil ist das tägliche Pendeln & das Bahnticket - Rad mitnehmen kostet bei der ÖBB ausserdem extra; dafür sind Leihräder in Wien sicher leichter zu kriegen als in Marchegg. Das solltest dir halt durchrechnen - und Prioritäten setzrn ;-)

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Re: Marchauen

Beitragvon Jonas » Samstag 9. Juli 2022, 09:31

Das klingt doch gut! Dann plane ich mal für Ende Juli/Anfang August! In Marchegg ist leider bereits alles ausgebucht, werde mal noch in der Region Gänserndorf Ausschau halten!
Freue mich jedenfalls schon sehr auf einen weiteren Ausflug in Österreichs Osten und bin gespannt auf die dortigen Arten :-)
Ich erlaube mir noch eine weitere Frage: Ist es also in den meisten Zügen der ÖBB möglich, das Fahrrad mitzunehmen (z.B. eben auf der Strecke Gänserndorf —> Marchegg)?

Beste Grüsse
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Re: Marchauen

Beitragvon Jürgen Baldinger » Samstag 9. Juli 2022, 10:15

Ja, allerdings verkehren auf dieser Strecke ("Marchegger Ostbahn"), die gerade ausgebaut und elektrifiziert wird, noch alte Triebwagen, du hast also einen schmalen, steilen Aufstieg in den Waggon und keinen ebenerdigen, breiten Einstieg für das Fahrrad. Eine Alternative wäre eventuell die Nordbahn, ebenfalls vom Hauptbahnhof Wien, die in Gänserndorf eine Abzweigung Richtung Marchegg hat und wo über die Station Oberweiden aus die dortigen Sandberge gut erreichbar sind und auf der neue S-Bahnen verkehren, siehe https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bahnstr ... 93Marchegg
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Re: Marchauen

Beitragvon Hermann Falkner » Montag 11. Juli 2022, 10:09

Und noch Nachtrag, dank Landesausstellung fährt vom Bhf Marchegg zum Schloss/wwf-Schutzgebiet jetzt regelmässig ein Bus! dh Fussweg durch den Ort kannst du dir sparen, falls du von Wien aus zum NSG Marchegg willst (im Bus natürlich keine Rad-Mitnahme)

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Re: Marchauen

Beitragvon Jürgen Baldinger » Dienstag 12. Juli 2022, 11:05

Jedenfalls musst du uns natürlich auch ein paar schöne Bilder aus den südlichen Kalkalpen mitbringen, Jonas. ;-)
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Re: Marchauen

Beitragvon Jonas » Mittwoch 13. Juli 2022, 17:05

Ich danke noch für eure Rückmeldungen! Na solange es eine Möglichkeit gibt, das Fahrrad im Zug irgendwo abstellen zu können, bin ich schon sehr zufrieden. Da sollte ich doch hoffentlich auch den steilen Aufstieg bewältigen können :-)
Leider muss die weitere Planung des Aufenthalts im Gebiet der Marchauen vorläufig mal auf Eis gelegt werden bis ich aus den Bergamasker Alpen zurück bin (am Sonntag geht's los)! Mittlerweile habe ich auch erfahren, dass es keinesfalls bereits spät im Jahr ist für die Region, sondern eigentlich eher die ziemlich optimale Zeit! Nur schade soll es nächste Woche derart heiss werden....... Also wenn ich die Zeit finde, werde ich sehr gerne die eine oder andere Art aus den Bergamasker Alpen hier präsentieren :-)
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