Pinus sylvestris subsp. engadinensis

= Blütenpflanzen; Bestimmungsfragen
Oliver Stöhr
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Pinus sylvestris subsp. engadinensis

Beitragvon Oliver Stöhr » Dienstag 27. Dezember 2016, 21:00

Hallo zusammen,

hat sich wer von euch schon mit Pinus sylvestris subsp. engadinensis beschäftigt? Diese Unterart wird ja in der EFÖLS 2008 neben der Typus-Unterart als bestimmungskritische Sippe angeführt und soll mit Ausnahme von B, W und O in allen Bdld. auftreten.

Bei uns hier in Osttirol vermute ich diese Unterart an den W- und S-Abfällen der Schober- und Kreuzeckgruppe zum Isel- und Drautal hin, wo sie an flachgründigen, felsigen Standorten kleine Bestände über Silikat vom Hangfuß (ca. 700 msm) bis auf ca. 1400 msm ausbildet. Die Wuchsform ist, wie in der EFÖLS angegeben, schmal-walzlich, die Bäume tief beastet und die Winterknospen harzig. Sie unterscheidet sich damit deutlich von den über Kalk vorkommenden breitkronigen Wuchsformen der subsp. sylvestris. Einzig die Nadellänge variiert von 3 cm (was passen würde) bis 6 cm (was schon im Bereich der subsp. sylvestris liegt); die Blattbreite beträgt 1,5 m, was auf beide Unterarten zutreffen würde.

Anbei dazu einige Bilder von heute, die ich im Bereich Kapaun bei Dölsach (Drautal, S-Abfall der Kreuzeckgruppe) auf ca. 800 msm aufgenommen habe. Das blühende Leberblümchen stammt übrigens auch von heute - bemerkenswert, dass angesichts der Trockenheit und der Jahreszeit jetzt schon was blüht.

Die Tirol-Flora von Polatschek führt übrigens keine Unterarten zu Pinus sylvestris, aber es liegen alte Angaben von Hermann Handel-Mazzetti aus Tirol vor; seine Hauptarbeit über diese Sippe, erschienen in 1934 in Rep. spec. nov. F. Fedde (Berlin), muss ich mir aber noch besorgen ...

Viele Grüße
Oliver
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Georg Pflugbeil
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Re: Pinus sylvestris subsp. engadinensis

Beitragvon Georg Pflugbeil » Dienstag 27. Dezember 2016, 22:00

spannend! In Salzburg gibts nur vage Angaben, dass sie im Bundesland vorkommen sollte, aber keine genauen Nachweise. Wo würdest du diese erwarten?
lg, Georg

Oliver Stöhr
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Re: Pinus sylvestris subsp. engadinensis

Beitragvon Oliver Stöhr » Dienstag 27. Dezember 2016, 22:36

Hallo Georg!
In Salzburg würde ich am ehesten Vorkommen im Zentralalpenbereich vermuten wie z.B. im Lungau oder im Kötschachtal (Gastein), wo ich selbst im Rahmen der Biotopkartierung einzelne hochgelegene / verdächtige Bäume gesehen habe.
Viele Grüße
Oliver

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Re: Pinus sylvestris subsp. engadinensis

Beitragvon Pinus » Samstag 27. Oktober 2018, 01:33

Hallo zusammen,

Wieder einmal im Forum anwesend, will ich sehr verkürzt folgendes zum Thema dieses Threads nachtragen:

Pinus sylvestris var. engadinensis ist eine Schöpfung von Oswald Heer (Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 46, 1862: 181-182), ausdrücklich als eine von 4 namentlich unterschiedenen Formen von Pinus sylvestris. Zitat aus dem Protolog:

<Die kegelförmigen Zapfen scherbengelb, glänzend; die Schilder ziemlich stark vorstehend, mit centralem [sic], meist von einem schwarzen Ring umgebenen Nabel. ..... Bildet grosse Bäume, welche im Alter die Tracht der gemeinen Föhre haben: die Rinde ist auch rötlich; die Nadeln auf der Oberseite seegrün. Die jungen Zäpfchen sind noch etwas länger gestielt als bei der gemeinen Föhre, stark zurückgekrümmt; die reifen Zapfen durch ihre glänzend gelbliche, (scherbengelbe) Farbe, die vorstehenden, fast pyramidenförmigen Schilder und den schwarzen Ring des centralen Nabels, der freilich nicht konstant ist, ausgezeichnet. Hat die Nadeln und jungen abwärts gebogenen Zäpfchen von P. sylvestris, die Farbe der Zapfen von P. laricio> [heute P. nigra] <und den von einem schwarzen Ring umgebenen Nabel von P. montana> [heute P. mugo].

An vorgelegenem Pflanzenmaterial zählt Heer lediglich zwei Belege vom Statzsee im Oberengadin und offensichtlich eigene Beobachtungen in der Nähe von Samaden auf.

Die drei anderen Formen der Wald- oder Weißföhre sind nach Heer <P. sylvestris genuina> [wäre nach heutigen Regeln P. sylvestris var. sylvestris] mit flachen Zapfenschildern; <P. sylvestris reflexa> mit <Zapfenschildern mit einem pyramidenförmigen Hacken [sic]>; und <P. sylvestris parvifolia> mit auffallend kurzen Nadeln und kleinen Zapfen>.

Als 5. Form beschreibt Heer eine <P. sylvestris hybrida?>, die er als <vielleicht ein Bastard der P. sylvestris und P. montana> [P. mugo] interpretiert. Diese als möglichen Hybrid interpretierte Form fand er Nähe Samaden, 5400 Fuss a.s.l., vergesellschaftet mit <P. sylvestris engadinensis> und <P. uncinata Ram.>.

Warum manche spätere Autoren - bis heute - ssp./var. engadinensis immer wieder - noch dazu weiterhin nicht nach moderneren Methoden nachgeprüft - als potentiellen Hybrid Pinus sylvestris/P. mugo interpretieren, ist schon nach Kenntnisnahme der o.a. Textstellen nicht nachvollziehbar.

Vielleicht unter dem Eindruck ähnlicher Überlegungen haben wieder andere Autoren den Heerschen Namen im Laufe der Zeit auf ganz etwas anderes "angewendet/übertragen": auf in manchen Gegenden auffällig schmal-/spitzkronige, feinastige Wuchsformen einzelner, oder kleiner Gruppen unserer Waldföhre. Mit Heers var. engadinensis können diese schmalkronigen, feinastigen Föhren jedoch nichts zu tun haben. Seine var. engadinensis entwickelt <im Alter die Tracht der gemeinen Föhre> und die ist nach ihm ja breitkronig.

Aber, so unmöglich die Umtypisierung eines Pflanzen-Namens schon nach dem ICBN ist, sie wäre auch sachlich überhaupt nicht gerechtfertigt. Schmalkronige, feinastige Pinus sylvestris sind im gesamten Verbreitungsgebiet der Waldföhre in unterschiedlicher Häufigkeit anzutreffen. In Skandinavien hat man diese Wuchsform in früheren Zeiten als var. lapponica bezeichnet, in den deutschen Mittelgebigen als. var. hercynia. Es gibt sicher noch weitere Namen für ein und dieselbe Erscheinung. Typisch sind die relativ geringen Astlängen, die langen, schmalen Kronen, die Feinastigkeit, selbst in höherem Alter. Das hat nichts mit Schneedruck zu tun. Überwiegende Feinastigkeit und schmale, lange Kronen sind eine Folge höherer Bestandesdichte. In der Kombination von dichter Verjüngung und der Seitenwirkung des Altbestandes liegen die Möglichkeiten zur Erziehung geradschaftiger, feinastiger Föhren der Folgegeneration.

https://forst.brandenburg.de/cms/media. ... /efs32.pdf

Diese Föhren-Wuchsform ist also kein Taxon, vielmehr nur ein Phänotyp. Abgesehen von Forstkundigen würde diese Wuchsform in einem geschlossenen Bestand wohl keinem Botaniker auffallen. Erst, wenn nach Pflegemaßnahmen oder Schlägerungen solche Wuchsformen, die von der Forstwirtschaft ja bevorzugt werden, dann mehr oder weniger frei zu stehen kommen, fallen sie auf, insbesondere an Berghängen.

soweit kurz zu diesem Thema, allenfalls nur vorerst.

Oliver Stöhr
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Re: Pinus sylvestris subsp. engadinensis

Beitragvon Oliver Stöhr » Samstag 27. Oktober 2018, 19:40

Danke Pinus für diese Erläuterungen; auch ich glaube mittlerweile ncht mehr recht an dieses Taxon.
Schauen wir aber mal, wie lange die ssp. engadinensis in der EFÖLS noch "mitgeschleppt" wird ...
Viele Grüße
Oliver


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