Hylotelephium telephium?

= Blütenpflanzen; Bestimmungsfragen
Oliver Stöhr
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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon Oliver Stöhr » Donnerstag 26. September 2019, 20:43

Danke Kurt für die hochillustrative Nachreichung!

Die untere Serie (Bad Zell) zeigt H. telephium und nicht wie im 2. Beitrag beschriftet H. spectabile.
Du gibst für deine spectabile-Pfl an, dass die Staubbeutel viel kürzer als die Fruchtblätter sind - lt. Rothmaler Bd V sollten sie aber viel länger als die Krone sein ?!?

Ein "echtes" telephium aus dem Salzburger Flachgau kann ich unten gerne hier nachreichen (Aufnahmen von heuer von Köstendorf). Man erkennt, dass die Staubbeutel hier in etwa gleich lang sind wie die Kronblätter. Und ja: diese Pfl. schauen dadruch und auch sonst schon anders aus als jene, die ich in Lienz verwildert gefunden habe (vgl. viewtopic.php?f=10&t=1778; ev. dort eine Zuchtform oder doch die Hybride bzw. Sorte "Herbstfreude"!?).

Dazu eine Frage in die geschätzte Foranden-Runde: Wie häufig findet ihr H. telephium s.str. in Österreich? Mir kommt vor, dass bei der Florenkartierung da "zuviel" erhoben wurde und sich etliche Angaben tatsächtlich auf H. maximum beziehen; ich habe das mit Peter Pilsl für Salzburg schon besprochen ;-)

Viele Grüße
Oliver
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kurt nadler
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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon kurt nadler » Donnerstag 26. September 2019, 23:02

jetzt ists endgültig eine krimi geworden.

gudula hat mich schon morgens auf den roten stängel bei telephium hingewiesen. vielleicht ist er ein konstantes merkmal.
die farbe der blütenblätter variiert aber offenbar zwischen den salzburgern und mühlviertlern, sonst sind die kernmerkmale für mich vorerst einmal gleich.
die infloreszenz von telephium neigt zur (starken) stockwerkigkeit. ich hab nicht zeit für internetrecherche zu telephium, aber wer weiß, vielleicht kommt noch was von euch ins forum.
oliver danke für deinen letzten beitrag.

noch kurz zum areal (ohne daten der florenkartierung zu kennen): im nördlichen salzburg gibts die entspannendste region, die ich in der NO-hälfte von ö kenne, da dort von mir nur saubere telephiums vorgefunden werden konnten. in den NÖ-voralpen kam ich leider nie in die blütezeit (nur vegetative exemplare), dort gibt´s aber ein morphologisch buntes gemisch telephiumartiger wuchstypen; an der ostgrenze österreichs ists auch wieder entspannend, da gibt´s nur maximum. (jullianum kenne ich ostwärts bis ins waldviertel und südwärts bis in die gegend w wels, laut lit. soll es sie bis ins salzkammergut geben). nie konnte ich intermediäre blütenfarben zwischen den gelbgrünen und rosa sippen finden.

kurt nadler
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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon kurt nadler » Donnerstag 26. September 2019, 23:16

noch ein paar spekulationen zu herbstfreude und spectabile:
da ich mit großem gärtnerischen interesse (und gartenpflanzenbüchern) aufgewachsen bin, bin ich da ein bissl geprägt. es könnte also sein, dass ich in meiner jetzigen branche eher den wissenschaftlichen namen abgespeichert habe, nämlich spectabile, und das gewächs der gärten landauf und landab die sorte herbstfreude ist UND NICHT DIE ART SPECTABILE. dafür würde sprechen, dass die gartenform anscheinend steril ist oder sein könnte (mein ganzes leben hab ich nie eine versamung dieser sippe feststellen können). denn warum soll der rothmaler nicht recht haben! damit wärst auch du, oliver, auf der exakt richtigen spur.
mglw. ist diese hypothese aber auch falsch und ich war immer auf der richtigen spur: wikipedia zeigt eindeutig die gartenform, beschreibt sie aber hinsichtlich der stamina falsch.
ich glaub, jetzt brauchen wir den norbert G.!

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Norbert Griebl
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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon Norbert Griebl » Freitag 27. September 2019, 10:08

Liebes Forum!

Ich kenne die Hylotelephium telephium nur ganz selten aus Österreich. Ohne jetzt die Fundaufzeichnungslisten durchzustöbern erinnere ich mich an diese Art im Waldviertel Niederösterreichs und im Mühlviertel Oberösterreichs. Mehrfach konnte ich sie im Riesengebirge und in der Tatra finden (fabaria?). Außerdem glaube ich mich erinnern zu können, dass ich die Art im Zuge des Revital-Kurses 2017 in Osttirol bei Lienz-Burgfrieden und Debantbach bei Stribach finden konnte.

Nun zu Hylotelephium spectabile:
30–50 cm hohe, fleischige Staude mit dicken, spindelförmigen Wurzeln und glatten Stängeln. Blätter blaugrün, gegenständig oder dreizählig quirlig, breit-oval, 6–9 cm lang, 3–4,5 cm breit, buchtig, gezähnt. Blütenkrone hellrosa, in flachgewölbten, im Ø 10–20 cm breiten Ebensträußen. Kronblätter halblanzettlich, spitz, Staubfäden länger als die Kronblätter. Blütezeit August bis Oktober.
Verwechslungsmöglichkeit: Die heimische Purpur-Fetthenne, Hylotelephium telephium, hat purpurne bis dunkelrosa Blütenkronen, Staubfäden die höchstens so lang wie Kronblätter sind und Blütenstände, die im Ø unter 10 cm breit sind. Die Unterscheidung der beiden Arten wird erschwert, da es sich bei den kultivierten bzw. verwilderten Pflanzen meist um Hybriden aus Hylotelephium spectabile × H. telephium handelt.

Ausbreitung: Beheimatet in Korea und Nordost-China. Um das Jahr 1865 nach Frankreich gekommen, 1868 nach Deutschland. 1955 gelang dem deutschen Gärtner und Pflanzenzüchter Georg Arends die Hybride aus der Prächtigen Fetthenne mit der heimischen Purpur-Fetthenne, Hylotelphium telephium, die als "Herbstfreude" in den Handel gelangte und den Stellenwert der Gattung als Gartenstaude beträchtlich steigerte.
Gegenwärtig im Gebiet vereinzelt verschleppt, lokal auch etabliert wie in Basel.
ÖSTERREICH:
Vereinzelt verwildert oder verschleppt, so Friedhof Freistadt und auf den Bahnhöfen Aschach und Linz-Stadthafen in Oberösterreich (HOHLA 2014), in der Tiefenbachhofstraße und am Gelände des Frachtenbahnhofes in der Stadt Salzburg (PILSL & al. 2008) und bei Reifersdorf und Knittelfeld in der Steiermark (HOHLA & al. 2000, MELZER 1971).

Quellen:
HOHLA M. (2014): Zobodat-Herbarbelege – http://www.zobodat.at/belege.php?id=100399100
HOHLA M. (2018): Physalis grisea und Sedum pallidum neu für Österreich sowie weitere Beiträge zur Adventivflora von Österreich – Stapfia 109: 25−40.
HOHLA M., KLEESADL G. & MELZER H. (2000): Neues zur Flora der oberösterreichischen Bahnanlagen – mit Einbeziehung einiger grenznaher Bahnhöfe Bayerns – Beitr. Naturk. Oberösterreichs 9: 191–250.
MELZER H. (1971): Neues zur Flora der Steiermark, XIII. – Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark 100: 240–254.
MURR J. (1923–1926): Neue Übersicht über die Farn- und Blütenpflanzen von Vorarlberg und Liechtenstein. - Bregenz.
PILSL P., SCHRÖCK C., KAISER R., GEWOLF S., NOWOTNY G. & STÖHR O. (2008): Neophytenflora der Stadt Salzburg (Österreich). – Sauteria 17: 1–596.
STÖHR O., PILSL P., ESSL F., HOHLA M. & SCHRÖCK C. (2007): Beiträge zur Flora von Österreich, II – Linzer biol. Beitr. 39/1: 155–292.


LG Norbert
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Je größer ein Mensch ist, desto mehr neigt er dazu, sich vor einer Blume niederzuknien

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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon kurt nadler » Freitag 27. September 2019, 21:47

vielen dank, norbert, für die erhellenden informationen. es ist also meine zuletzt geäußerte these 1 und nicht die 2 richtig.
jetzt bleibt noch das problem, dass wohl in österreich mglw. kaum einer weiß, wie spectabile aussieht.
hat wer zielführende links, die nicht wie wikipedia fälschlich die hybride, sondern die art (mit gegenständigem laub und langen stamina (fide griebl)) zeigen?

Oliver Stöhr
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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon Oliver Stöhr » Samstag 28. September 2019, 22:50

Hallo zusammen,

ich postuliere nun mal folgenden kurzen Bestmmungsschlüssel:

Staubblätter fehlend oder deutlich kürzer als Kronblätter; Blüten rot, rosa oder weiß; Blütenstand nicht deutlich stockwerksartig - H. "Herbstfreude" (vermutlich H. telephium x spectabile)
Staubbeutel in etwa gleich lang wie die Kronblätter; Blüten rot, Blütenstand deutlich stockwerksartig - H. telephium
Staubbeutel deutlich länger als die Kronblätter; Blüten rosa oder weiß, Blütenstand nicht deutlich stockwerksartig - H. spectabile

Hintergrundanmerkungen dazu:
1) Ich glaube heute bei uns in Nussdorf-Debant echtes H. spectabile kultiviert gesehen und fotografiert zu haben; auf dem untigen Bild erkennt man die deutlich die Kronblätter überragenden Staubblätter.
2) Die in der Literatur angeführte Angabe, dass H. "Herbstfreude" immer keine Staubblätter hat, tritt mE nicht zu; anbei ein Makrobild jener Pflanze, die ich vor kurzem verwildert in Lienz gefunden (s. Unterforum) und zunächst als H. telephium angesprochen habe. Ich vermute, dass es sich aber eher um die "Herbstfreude" bzw. Hybride handelt, da reines H. telephium zugegeben doch ganz anders ausschaut. Am Makrobild erkennt man in der Mitte zwei dunkle Staubbeutel, die deutlich unterhalb der Kronblätter situiert sind. Wenn man schnell hinschaut, sieht man diese in den Blüten nicht, da sie fast in der Blütenbasis "versteckt" sind, ev. kommt von daher die Angabe in der Literatur, dass sie bei "Herbstreude" fehlen sollen?!

Wenn das alles zutrifft, wäre die Unterscheidung dieser drei Taxa anhand der Staubblätter einfach vorzunehmen! Die Lorinsche Pflanze sollte demnach auch "Herbstfreude" sein und der Kurtsche Kriminalfall wäre gelöst ...

LG
Oliver
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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon kurt nadler » Samstag 28. September 2019, 23:01

werde mich wohl von spectabile distanzieren müssen und herbstfreude lernen.
wie erwähnt brauchts die lupe, um die staubbeutel zu sehen, freiäugig geht bei meinen eher nix.
und danke für das gemeinsame erarbeiten einer vorerst einmal befriedigenden ansprachebasis. hat mich gefreut.

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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon Oliver Stöhr » Samstag 28. September 2019, 23:09

Danke auch für das Interesse! Schaun wir mal, ob der Schlüssel hält.
Hier noch als Ergänzung ein Habitusbild des kultivierten H. spectabile von Debant, das ich vorhin vergessen habe anzufügen.
LG
Oliver
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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon kurt nadler » Sonntag 29. September 2019, 00:13

ist ja super, die hat wirklich gegenständiges laub!
und die infloreszenzdurchblätterung - die hat offensichtlich sie in die ehe mit telephium eingebracht.
jetzt muss noch jemand den wikipediabeitrag auffrischen, zumindest hinsichtlich bilder. das ist aber nicht meine spielwiese.
und im neuen fischadler gehört die "verwilderte" hybride erwähnt oder gar geschlüsselt.

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Re: Hylotelephium telephium?

Beitragvon Oliver Stöhr » Sonntag 29. September 2019, 15:59

Achtung, H. spectabile kann lt. B. Dickoré (Offene Naturführer) aber auch wechselständige Beblätterung haben, daher habe ich oben die Blattstellung nicht im Schlüssel eingebaut ...
LG
Oliver


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