iNaturalist

Weiterführendes zu Flora, Vegetation, Naturschutz
Burkhard Leitner
Beiträge: 236
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 10:44

iNaturalist

Beitragvon Burkhard Leitner » Montag 9. Mai 2022, 09:51

Hallo Forum,
bin vor kurzem auf das Portal/die App von iNaturalist gestoßen -> https://www.inaturalist.org
"eine der beliebtesten Natur-Apps weltweit, hilft dir beim Bestimmen der Pflanzen und Tiere in deiner Umgebung. Eine Gemeinschaft von über 400.000 WissenschaftlerInnen und NaturfreundInnen erklärt dir die Natur! Und: Indem du deine Beobachtungen dokumentierst und anderen zur Verfügung stellst, produzierst du nützliche Daten für ForscherInnen, die daran arbeiten, die Natur zu verstehen und zu schützen."
Es gibt auch einzelne Projekte, etwa
https://www.inaturalist.org/projects/fl ... osterreich

Ich finde es sehr interessant und hilfreich und habe jetzt meine Beobachtungen der letzten Jahre (>400) hochgeladen. Sehr einfach, wenn man GPS-getaggte Fotos hat, auch die Bestimmung erfolgt automatisch (wird dann auch meist von Experten verifiziert, soweit es Fotos zulassen).

Die hier im Forum schon öfter diskutierte Frage bleibt, was tut man mit seltenen Pflanzen bzw. bis zu welchem Seltenheitsgrad ist es noch zu verantworten, Pflanzen mit genauem Standort bis hin zu Koordinaten zu veröffentlichen?

Viele Grüße
Burkhard

Elias Spögler
Beiträge: 65
Registriert: Donnerstag 4. November 2021, 19:30

Re: iNaturalist

Beitragvon Elias Spögler » Dienstag 10. Mai 2022, 11:22

Hallo Burkhard,
ich persönlich nutze die App iNaturalist nicht, weiß aber, dass es die Möglichkeit gibt, Koordinaten seitens des Beobachters, der seine Beobachtung hochlädt, zu verdecken bzw. die Standortanzeige auf den Satellitenbildern auf ein weitläufiges Rasterfeld zu beschränken. Ich glaube aber, dass dieses Tool nicht besonders häufig genutzt wird.
Finde es selber problematisch, wenn punktgenaue Koordinaten von Standorten seltener Arten im Internet veröffentlicht werden, besonders bei sehr attraktiven Arten (Ophrys spp., Orchis spp., Iris sibirica usw.), da es der Plünderung von Beständen durch "Pflanzenfreunde" ebenso wie durch (versierte) Raritätensammler, aber auch der Entstehung von Trittschäden durch eventuellen starken Besucherandrang Tür und Tor öffnet.
Denke, dass Apps wie iNaturalist da schon eine gewisse Verantwortung hätten, nicht nur (randlich) ein Tool zum Verdecken der Koordinaten anzubieten, sondern die Benutzer gleich auf der Startseite aktiv auf die Problematik hinzuweisen bzw. dementsprechend zu sensibilisieren.
Viele Grüße
Elias
Zuletzt geändert von Elias Spögler am Mittwoch 14. Februar 2024, 21:37, insgesamt 1-mal geändert.

Burkhard Leitner
Beiträge: 236
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 10:44

Re: iNaturalist

Beitragvon Burkhard Leitner » Dienstag 10. Mai 2022, 21:35

Hallo Elias,
danke für deine Einschätzung. Ja man kann durchaus auch die Position verdecken bzw. auf "privat" umstellen.
Das mache ich natürlich auch bei meinen Orchideen-Sichtungen (ausgenommen Dactylorhiza fuchsii) und weiteren attraktiven, seltenen Pflanzen.

Es ist jedenfalls eine Gratwanderung - welche Pflanze ist jetzt entsprechend selten und könnte in Gefahr sein ausgegraben zu werden?
Es gab ja hier im Forum auch schon Diskussionen bzgl. Geheimhaltung versus Bekanntmachung von Standorten.
Bin selbst eher in der Fraktion "Zerstörung bis Ausrottung passiert nicht durch Begehen, Fotografieren oder sogar Ausgraben, sondern durch Lebensraumzerstörung, welche häufig auch durch nicht vorhandenes Wissen um die Standorte geschieht".
Ich könnte mir z.B auch vorstellen, dass ein interessierter Grundbesitzer, wenn er auf der Karte sieht, was bei ihm so alles vorkommt, auch entsprechend richtig reagiert und seine Wiese etwas später mäht oder an diesen Stellen weiterhin auf Düngen verzichtet. Vielleicht auch ein zu optimistischer Gedanke...

Viele Grüße
Burkhard

Elias Spögler
Beiträge: 65
Registriert: Donnerstag 4. November 2021, 19:30

Re: iNaturalist

Beitragvon Elias Spögler » Mittwoch 11. Mai 2022, 07:49

Der Aspekt der Lebensraumzerstörung durch Unwissenheit spielt auf jeden Fall eine weit größere Rolle als das Plündern von Standorten, mich würde aber trotzdem interessieren, ob bzw. wie viele Anlaufstellen bzw. "Zentralen'" der Floristischen Kartierung Mitteleuropas tatsächlich auf Daten aus iNaturalist zurückgreifen und diese in ihre Datenbanken einspeisen und in welchem Ausmaß, da es sich dabei offensichtlich um eine sehr zeitintensive Arbeit handelt bzw. ich mir die Daten als für eine (wissenschaftliche) Datenbank recht unbefriedigend vorstelle, weil ja meist Informationen zu Lebensraum, Abundanz, chorologischem Status, Begleitflora usw. der beobachteten Arten fehlen.
Ich melde zB alle meine in Südtirol erhobenen Daten dem Naturmuseum Südtirol als zentrale Anlaufstelle der Floristischen Kartierung Südtirols, womit es sich für mich erübrigt, iNaturalist zu nutzen. Einmal integriert in die Datenbank, stehen sie auch den in Naturschutzfragen befassten Ämtern zur Verfügung.

Zum Informieren der Grundbesitzer: Das kann leider auch gewaltig nach hinten losgehen. Ich kenne einen Fall in Südtirol, wo ein Landwirt, der über das Vorkommem von Anacamptis coriophora auf seinem Grundstück informiert wurde, versichert hat, darauf aufzupassen und es in der Folge bewusst zerstört hat, offensichtlich aus Angst vor dem amtlichen Naturschutz. Hätte man nichts gesagt, würde der Bestand vielleicht noch existieren. Das ist jetzt natürlich kein Argument, aber so kann's halt auch gehen.
In einem anderen Fall hat ein Bauer gezielt nach Ausweisung eines (winzigen!) Biotopes für Anacamptis coriophora in diesem Dünger ausgebracht, erbost darüber, dass man ihm ein Teil seines Eigentums weggenommen hätte. Inzwischen ist die Art in Südtirol ausgestorben.

Peter Pilsl
Beiträge: 581
Registriert: Donnerstag 15. Dezember 2016, 09:19
Wohnort: Salzburg

Re: iNaturalist

Beitragvon Peter Pilsl » Mittwoch 11. Mai 2022, 08:45

Wir in Salzburg verwenden großteils die App von Observations.org - eine ähnliche Anwendung mit ähnlichen Funktionen.
https://observation.org/fieldwork/observations/daylist/
Aber gerade für Geländekartierungen seeeeeehr praktisch. Die Erfassung erfolgt punktgenau, registiert die Person und das Datum und bei Bedarf weitere Informationen zum Fund, es können auch Fotos zur Dokumentation hochgeladen werden. Die Kartierungsdaten werden mit einem Plausibilitätsmodus geprüft, die Fotos werden - soweit möglich - von Experten bestätigt.
Das gute an der Sache ist, dass da nicht nur wir unsere Daten validieren müssen, sondern in der Community auch Fachleute aus anderen Ländern für Artengruppen arbeiten, wo es bei uns keine Experten gibt. In Abständen werden die Daten aus Österreich in die Biodiversitätsdatenbank am Haus der Natur integriert, wobei die Verknüpfung zum Originaldatensatz erstellt wird um ggf. Fotos kontrollieren zu können.

Eine weitere Plattform betreibt der Naturschutzbund mit Naturbeobachtung.at. Auch hier werden Daten in ähnlicher Form gesammelt. Auch hier ist geplant die Österreich-Daten ins Haus der Natur zu integrieren.
https://www.naturbeobachtung.at/platfor ... eplate2.do (für nicht angemeldete sind nicht alle Funktionen verfügbar)

Das tolle an diesen Citizen Science Projekten ist, dass dadurch viele Daten entstehen und für wissenschaftliche Arbeiten nach einem "Validierungsprozess" genutzt werden können.
Aber auch für Profis sind die Apps perfekt, so hab ich gestern am Abend in rund zwei Stunden bei einem Abendspaziergang in einem nicht sehr ergiebigen Gebiet rund 160 Arten kartiert. Und das schöne daran ist, dass es für mich keine "Nacharbeiten" gibt. Die Daten werden auf Knopfdruck hochgeladen und das wars dann.
Peter Pilsl
SABOTAG

Elias Spögler
Beiträge: 65
Registriert: Donnerstag 4. November 2021, 19:30

Re: iNaturalist

Beitragvon Elias Spögler » Donnerstag 12. Mai 2022, 21:58

Danke für diese Informationen und den Verweis auf die beiden Apps, die ich bislang nicht kannte! Offensichtlich gilt es also nur, ein möglichst effizientes System zu finden. Wenn die Integration der Daten über Knopfdruck funktioniert und keine Nacharbeiten anfallen, ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis natürlich hervorragend. War bislang lediglich skeptisch, da mir erzählt wurde, dass in Südtirol Plausibilitätskontrolle und Aufarbeitung der Daten in ein für die Südtiroler Datenbank kompatibles Format bei iNaturalist sehr arbeitsaufwändig bis teils unrentabel und wegen oft schlechter Qualität der Fotos bzw. der darauf nicht sichtbaren diakritischen Merkmale häufig auch nicht möglich oder sinnvoll sei.

Peter Pilsl
Beiträge: 581
Registriert: Donnerstag 15. Dezember 2016, 09:19
Wohnort: Salzburg

Re: iNaturalist

Beitragvon Peter Pilsl » Freitag 13. Mai 2022, 08:00

Was die Fotos bei den Meldungen betrifft ist natürlich manches im Argen, aber viele Pflanzen kann man auch anhand schlechter Fotos weitgehend sicher bestimmen bzw. bestätigen. Was den Datentransfer betrifft muss das halt einmal eingerichtet werden, dann gehts "weitgehend" automatisch. Probleme macht bei einigen Arten die Nomenklatur, da sich diese ja dauernd ändern muss.....
Peter Pilsl
SABOTAG

Benutzeravatar
Stefan Lefnaer
Beiträge: 3525
Registriert: Sonntag 18. September 2016, 21:41
Wohnort: Wien
Kontaktdaten:

Re: iNaturalist

Beitragvon Stefan Lefnaer » Freitag 13. Mai 2022, 08:22

Was mich als Nicht-Nutzer interessieren würde ist die technische Handhabung. Wenn ich mir denke, dass ich da jedesmal das Handy rausziehen muss, dann entsperren, 10 Versuche nötig weil mit nassen oder schmutzigen Fingern der Fingerabdrucksensor nicht funktioniert, dann den Namen raussuchen während die Sonne auf das Display scheint und ich nichts sehe, dann warten bis das GPS die richtige Position hat, dann ist bald der Akku leer usw. Da erscheint mir der Block primitiver aber robuster. Der einzige wirkliche Vorteil ist aus meiner Sicht, dass die Koordinaten gespeichert werden.

Was vermutlich auch nicht vorhanden ist, sind taxonomische Referenzen. D.h. eine Angabe was mit einem bestimmten Namen überhaupt gemeint ist. Z.B. wenn ich Ornithogalum umbellatum kartiere, meine dann sensu EfÖLS3 oder sensu Klíč oder überhaupt was anderes (vgl. hier). Meines Erachtens kann so was nur funktionieren, wenn man vorher ein Referenzwerk (eben die EfÖLS3, den Klíč oder die Rottensteiner-Istrien-Flora) auswählen kann, das klar definiert welche Sippen sich hinter den Namen verbergen, d.h. wenn es sich nicht nur um nackte Namen sondern um Taxonyme handelt (Namen sind ja bekanntlich das Unwichtigste, wichtig ist welche Sippe in einem bestimmten Umfang man anspricht).

Peter Pilsl
Beiträge: 581
Registriert: Donnerstag 15. Dezember 2016, 09:19
Wohnort: Salzburg

Re: iNaturalist

Beitragvon Peter Pilsl » Freitag 13. Mai 2022, 08:49

Hallo Stefan,
deine Bedenken hatte ich ursprünglich auch, aber seit heuer hab ichs ausprobiert und bin sehr zufrieden!
Die Bedenken bei der technische Handhabung kann ich nicht nachvollziehen. Das funktioniert auch bei nassem Wetter ganz passabel, vielleicht wenn die Finger zu nass/dreckig sind geht gelegentlich der Sensor nicht. Aber bei Regen ist das aufgeweichte Papier ein größeres Problem....
Was du vielleicht für einen längeren Tag brauchen wirst, ist eine Powerbank damit dir der Akku vom Handy nicht ausgeht.
Das mit der taxonomischen Referenz könnte sicher noch verbessert werden, da starten wir gerade eine Diskussion über die (wenigen) Problemarten.
Peter Pilsl
SABOTAG

Benutzeravatar
Norbert Sauberer
Beiträge: 636
Registriert: Samstag 1. April 2017, 21:22

Re: iNaturalist

Beitragvon Norbert Sauberer » Samstag 14. Mai 2022, 20:17

Jede Plattform hat Vor- und Nachteile. Ich habe mich bei iNaturalist eingelebt und schätze diese offene Plattform sehr. Die Daten lassen sich sehr leicht als excel-file exportieren. Als taxonomische Grundlage wird die Kew-Seite Plants of the World (https://powo.science.kew.org/) verwendet, was ab und zu im Widerspruch mit der EFÖLS steht.


Zurück zu „Botanische Literatur“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste