Agrarwüsten

Wie das Kostbare erhalten? Gefährdungen, Schutzmaßnahmen und Interviews
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Jürgen Baldinger
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Agrarwüsten

Beitragvon Jürgen Baldinger » Mittwoch 4. April 2018, 08:07

Wie ist das eigentlich gekommen, dass landwirtschaftliche Flächen mittlerweile randgenau an Wege, Straßen, andere Felder grenzen und landschaftsstrukturierende Elemente über weite Strecken weggeräumt wurden?

Es gab doch einmal Brache-Prämien, oder? Geht es tatsächlich nur um Ertragsmaximierung bis zum letzten Quadratmeter? D. h., es hat sich seither die Gier-Fraktion in der Agrarpolitik durchgesetzt?

Ich verstehe das nicht: Wäre es nicht das Einfachste und eine erste Sofortmaßnahme, auch vergleichsweise günstig (?), Förderungen für die Wiederherstellung von Rainen, Gehölzstreifen, Pufferflächen zu bezahlen?
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Stefan Lefnaer
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Re: Agrarwüsten

Beitragvon Stefan Lefnaer » Mittwoch 4. April 2018, 08:14

Die Brachenprämie bzw. Verpflichtung 10% der Flächen ruhen zu lassen gab es bis vor rund 10 Jahren. Dann trat (angeblich) ein Engpass in der Versorgung ein, auch verursacht durch den Bioengergie-Boom, und dann wurde das abgeschafft. Der Hauptgrund für die Flur"bereinigung" ist sicher, dass es mit den heutigen, riesigen Traktoren einfacher und schneller möglich ist ein riesiges Feld ohne "Hindernisse" zu bearbeiten. Man müsste also den Bauern eine Prämie für die Mehrarbeit zahlen und auch ständig kontrollieren, dass die Feldraine etc. tatsächlich noch da sind. Vielleicht ändert sich das mit autonomen Traktoren zum Besseren: für die würde es ja keine Rolle spielen wie lang sie am Feld herumkurven und wie oft sie reversieren müssen, da keine teure Arbeitskraft dafür benötigt wird und der Computer nicht ungeduldig ist.

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Jürgen Baldinger
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Re: Agrarwüsten

Beitragvon Jürgen Baldinger » Donnerstag 5. April 2018, 21:38

Vielleicht kann Birdlife etwas bewegen, wo der Schutz der Kulturlandschaft-Vögel mittlerweile auf der Liste oben steht. Tiere ziehen im Naturschutz nun einmal mehr. Auch diese deutschen Studie zum Insektenrückgang wurde breit diskutiert, kam mir vor. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass von der EU da etwas kommen wird, nachdem in Brüssel das Thema Biodiversität nicht nur in Sonntagsreden vorkommt wie auf nationaler Ebene üblich, siehe Vertragsverletzungsverfahrens u. a. gegen Österreich wegen der Natura2000-Ausweisungsdefizite. Time will tell.
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Re: Agrarwüsten

Beitragvon Stefan Lefnaer » Freitag 6. April 2018, 20:34

Der Artikel passt zum Thema. Solange wir unser Wirtschaftssystem nicht wieder auf ein nachhaltiges, solares System zurückführen, wird es wohl nichts.

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Hermann Falkner
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Re: Agrarwüsten

Beitragvon Hermann Falkner » Samstag 7. April 2018, 07:31

Guter Artikel!
Alle "kleinen" Massnahmen sind letztlich nur Kosmetik, die zwar Arten (tw) erhalten helfen, aber für eine grundlegende Änderung braucht's Strukturänderungen.

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Jürgen Baldinger
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Re: Agrarwüsten

Beitragvon Jürgen Baldinger » Donnerstag 12. April 2018, 07:39

Ich sehe keine ernstzunehmende Extensivierung unserer Landwirtschaft auf breiter Front. Die natürlich wünschenswert wäre.

Ich will die Hoffnung auch nicht aufgeben, dass eine solche irgendwann kommt; aber bis dahin halte ich auch kleine, "kosmetische" Schritte für wichtig, die der Biodiversität unserer Kulturlandschaft helfen. Und wenn es wieder mehr Raine, standortgerechte Windschutzhecken, Bachrenaturierungen u. a. m. gibt, wäre das zumindest besser als der Status quo. Mag sein, dass nicht mehr möglich ist in Mitteleuropa als +/- isolierte Refugien in einer intensivlandwirtschaftlich genutzten Matrix. Gelingt es, diese Inseln in Ansätzen zu vernetzen, vielleicht da und dort sogar wieder Aushagerung, Wiedervernässung, Extensivierung anzustoßen, wäre das bis auf Weiteres schon großartig.

Vor allem wäre es politisch wesentlich einfacher umzusetzen als ein Totalumbau unseres Wirtschaftssystems. Selbst wenn dieses eines Tages nachhaltig und solar funktionieren würde, wie Du sagst, Stefan, bin ich alles andere als überzeugt davon, dass der (durch den Konsum letztlich kulturlandschaftsprägende) Großteil von uns dann in seinen Bedürfnissen sich mäßigen und zurückstecken wird. Es scheint mir die condicio humana, das je Mögliche zu realisieren und somit auch künftig - unter einer nicht mehr auf fossilen Brennstoffen basierenden Technologie - zu produzieren, was machbar, nicht aber, was ökologisch und sozial wünschenswert wäre. Derselbe Zweck, nur andere Mittel.

Nennt es Pessimismus. Je älter ich werde, desto weniger große Hoffnungen mache ich mir.

Andererseits gibt es ja Philosophen, die den Begriff der "condicio humana" als essentialistisch ablehnen und nicht von einer Unveränderbarkeit des menschlichen Wesens ausgehen.
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Stefan Lefnaer
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Re: Agrarwüsten

Beitragvon Stefan Lefnaer » Donnerstag 12. April 2018, 07:54

Wahrscheinlich hast du recht. Jede (technologische) Neuerung wird zuerst verwendet um damit Krieg zu führen und danach kommerziell ausgeschlachtet...

Mit "nachhaltig" meinte ich aber auch, dass die Biodiversität erhalten wird. Kleine Schritte können da aus meiner Sicht den Artenschwund nur bremsen, aber keine Trendumkehr bewirken.


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