Hacquetia epipactis

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Norbert Griebl
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Hacquetia epipactis

Beitragvon Norbert Griebl » Samstag 11. April 2020, 10:08

Liebes Forum,
zurzeit blüht gerade die Schaftdolde so schön, sowohl am Wildstandort in den Südalpen (wo ich zurzeit nicht hinkomme) und im Garten, wo ich hinkomme. Daher ein kurzer Aufsatz über diese holde Dolde:
Hacquetia epipactis, Schaftdolde
Nur eine Art gibt es innerhalb der Gattung der Schaftdolden und ihr Erstbeschreiber, der österreichische Arzt J.A. SCOPOLI (1723-1788), stellte sie verständlicherweise als Astrantia epipactis in die Gattung der Sterndolden. Erst später wurde klar, dass es sich dabei um eine eigene Gattung handelt und diese wurde zu Ehren von Baltasar HACQUET (1739-1815) benannt. HACQUET nahm 1773 eine Berufung als Universitätsprofessor für Anatomie in Laibach an. In seiner Freizeit widmete er sich botanischen und mineralischen Studien und entdeckte die Liebe zu den untersteirischen Bergen. Schon 1777 unternahm er den ersten Versuch, den Triglav zu ersteigen, und er hätte es fast geschafft. Er erreichte immerhin den 138 Meter niedrigeren Kleinen Triglav.
1796 veröffentlichte er eine Anleitung für Bergsteiger. Darin sind Steigeisen und Seile und deren Gebrauch angeführt, auch aus ölgetränkten Stricken selbst verfertigte Kletterschuhe und Anweisungen über Kleidung, Proviant und die günstigste Zeit zum Bergsteigen.
HACQUET erforschte die Berge des Gebietes systematisch und beschrieb von hier auch eine Scabiosa trenta. Diese und andere Neubeschreibungen führten Pflanzenliebhaber wie Julius KUGY (1858–1944) in das Krainer Gebiet, um hier zu forschen. KUGY suchte seinen Leben lang nach dieser Trenta-Skabiose, die er aber nie finden konnte. Fachleute stellten später fest, dass diese Wunderblume nicht existiert. HACQUET hat irrtümlich den bereits beschriebenen, weißblühenden Schuppenkopf neu benannt.
Neben der Schaftdolde ist HACQUET zu Ehren unter anderem das Karst-Läusekraut, Pedicularis hacquetii, aus der Familie der Sommerwurzgewächse, benannt.

Interessant ist die natürliche Verbreitung der Hacquetia. Einerseits besiedelt sie die Südostalpen und die anschließenden illyrischen Gebirge, andererseits die Westkarpaten und deren Vorland.
Aufgrund ihrer taxonomisch stark isolierten Stellung schreibt man der Schaftdolde ein entwicklungsgeschichtlich hohes Alter zu. Es ist sogar von einem Tertiärrelikt die Rede. FUTAK (1966) schließt aus der großen Verbreitungslücke zwischen den beiden Arealen auf ein Überdauern zumindest der Würm-Eiszeit in den Westkarpaten. Die nördlich der Karpaten gelegenen Vorkommen deutet SZAFER (1930) als Relikte der letzten Zwischeneiszeit.

Im Garten ist sie ein ganz dankbarer Gast für halbschattige, luftfeuchte Lagen und mullreiche, humose Böden. Aber auch mit weitaus schlechteren Bedingungen kommt die Hacquetie zurecht. Selbst sonnige Standorte werden akzeptiert, vorausgesetzt der Boden ist frisch und der Standort nicht heiß. Im Streuschatten großer Laubbäume fühlt sich der Doldenblütler besonders wohl und dankt es mit Jahrzehnte anhaltendem Dasein und einer freudigen Blüte im zeitigen Frühjahr. Die Sorte `Thor´ zeigt hübsche grün-weiße Hoch- und Laubblätter, welche nicht ausgrünen. Die Art sät sich im Garten als auch am Wildstandort gerne selbst aus, die jungen Blätter lassen sofort die Dolde erkennen (Bild hänge ich an).
LG Norbert
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Hacquetia.epipactis.Garten.10.4.20.JPG
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Je größer ein Mensch ist, desto mehr neigt er dazu, sich vor einer Blume niederzuknien

kurt nadler
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Re: Hacquetia epipactis

Beitragvon kurt nadler » Samstag 11. April 2020, 10:59

danke für diesen netten beitrag und die präsentation dieses lieblichen gewächses.

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Pablito
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Re: Hacquetia epipactis

Beitragvon Pablito » Samstag 11. April 2020, 15:18

In der Slowakei habe ich sie sehr oft gesehen: Sulovske skaly, Mala Fatra.
In der CZ in den Biely Karpaty.
LG Reini BR


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