Campanula vom Bisamberg
- Stefan Lefnaer
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Re: Campanula vom Bisamberg
Eine Sippe sollte nur dann als (gute) Art angesehen werden, wenn ausreichend morphologische, physiologische, ökologische, cytologische, genetische usw. Unterschiede gegenüber anderen Sippen vorliegen. Praktisch unterliegt das immer gewissen Moden: ursprünglich waren nur morphologische Merkmale sicht- und unterscheidbar. Dann hat man die Inhaltsstoffe der Pflanzen und die Embryologie entdeckt und zur Unterscheidung herangezogen. Als man die Chromosomen entdeckt hat, wurden diese fleißig und mühsam händisch gezählt und die Polidiestufe ausgewertet. Danach wurde die Molekulargenetik "in" und nun scheint die Polidiestufe wieder in Mode zu kommen, nachdem es mit der Flow-Cytometrie eine einfache Zählmethode gibt. Meiner Meinung nach wurden und werden teilweise Arten ungerechtfertigt beschrieben, weil nur ein Aspekt beachtet wird und die anderen nicht oder zu wenig. Und weil man ein wissenschaftliches Paper veröffentlichen kann, wenn man eine neue Art beschreibt. Nur eine unterschiedliche Ploidiestufe rechtfertigt meines Erachtens noch keine eigene Art, wenn sonst kaum Unterschiede bestehen, d.h. die Sippen sich nach der Entstehung der Kreuzungsbarriere noch nicht ausreichend auseinanderentwickelt haben. Das gilt sinngemäß für die anderen Aspekte. Die taxonomische Forschung ist eben sehr aufwändig, zumal die Individuen nicht nur im Labor und im Herbar (anhand von teilweise falsch bestimmten Belegen!) studiert werden sollten, sondern auch im Feld und das im gesamten Verbreitungsareal der Sippe. Als "praktischer Anwender" ist es somit angebracht kritisch zu sein und nicht alle "Arten" unhinterfragt zu glauben. Andererseits sollte man (bzw. die Schreiber von Florenwerken usw.) auch nicht alle neuen Erkenntnisse sofort als Weisheit letzten Schluss übernehmen, sondern lieber weitere Arbeiten abwarten, die vielleicht zu anderen Schlüssen kommen. Und klarerweise gibt es Sippen die "gute Arten" sind und andere Sippen die sich aufgespalten haben und erst am Weg zu "guten Arten" sind. Wo man da die Grenze zieht, wird immer subjektiv sein. Zumal es in der Natur kaum starre Grenzen, sondern meist mehr oder weniger fließende Übergänge gibt.
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Re: Campanula vom Bisamberg
Ich kann nicht alles hierzu lesen, aber C. moravica, wie sie am Hainburger Berg wächst, hat keine besonderen Ähnlichkeiten mit C. rotundifolia, wie sie bspw. im Mühlviertel vorkommt, weder standortsökologisch noch vom Aussehen.
Ich weiß, dass dies laienhaft ist, aber man kann Pflanzen u.U. auch laienhaft unterscheiden....
Allerdings kenne ich die Bisambergpopulationen noch nicht.
Ich weiß, dass dies laienhaft ist, aber man kann Pflanzen u.U. auch laienhaft unterscheiden....
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Re: Campanula vom Bisamberg
Ich wollte doch nachschauen, was für eine Wurzel (im Vergleich zu den Angaben von 6 bis 15 mm Durchmesser der Campanula moravica vom Bisamberg bei Wien) die normale Campanula rotundifolia bei uns in Süddeutschland besitzt, und das ist mir gestern gelungen. Es war eine kräftige C.r. an einem steilen nordexponierten Abhang über einer Straße, wo ich die Pflanze mit Wurzel ohne Werkzeug herausreißen konnte, weil sie sich nahe am "Abgrund" befand (und an geeigneter Stelle auch wieder einsetzen, sodass sie hoffentlich weiterlebt, normalerweise reiße ich keine Pflanzen aus, und nehme auch nur in Ausnahmefällen Herbarbelege, sondern fotografiere nur). Dummerweise habe ich nicht daran gedacht, die ganze Pflanze zu fotografieren, sondern nur die Wurzel. Die Stelle war nur etwa 400 m Luftlinie vom relativ großen Fluß Main entfernt, also klimatisch begünstigt, bei Klingenberg-Trennfurt in Unterfranken, das am nordwestlichen Ende des Bundeslandes Bayern liegt, nicht weit von der Grenze zum Bundesland Hessen entfernt. Die Pflanze dürfte in dieser Lage mit Weinbergsklima schon mehrere der letzten relativ milden Winter überstanden haben, also mehrjährig gewesen sein. Aber es war eine normale rotundifolia von einem nordexponierten Hang, und die Blätter und Statur erinnerten nicht an moravica.
Ich muss sagen, nachdem ich diese kräftige Wurzel (siehe Bild unten) mit bis zu 5 mm Durchmesser gesehen habe, kommen mir die 6 bis 15 mm Durchmesser, die für die Wurzel der sicherlich ebenfalls mehrjährigen Campanula moravica am Bisamberg angegeben werden, gar nicht mehr so unglaublich überdimensional vor ! Die Campanula rotundifolia als solche tendiert also zu einer überraschend kräftigen Wurzel, und bei der Campanula moravica vom Bisamberg, die man später vielleicht als eigene Art, vielleicht auch nur als einen Ökotyp der Campanula rotundifolia, der auf trockenen Magerrasen wächst, interpretieren wird, kann die Wurzel eben noch etwas kräftiger sein.
@Elias: Bei vielen Orchideen beruht die Splitterei ja nicht nur auf geringfügigen morphologischen Unterschieden, sondern z.B. bei den Ophrys auch auf der Selektion durch verschiedene sie bestäubende Bienenarten, die sie durch spezifische Pheromene anlocken (in wenigen Fällen auch Wespen- oder Käferarten), oder bei den Epipactis auf Unterschieden in den Sexualorganen der Blüten.
[zwei Rechtschreiubfehler beim Fundort der C. rotundifolia korrigiert]
Ich muss sagen, nachdem ich diese kräftige Wurzel (siehe Bild unten) mit bis zu 5 mm Durchmesser gesehen habe, kommen mir die 6 bis 15 mm Durchmesser, die für die Wurzel der sicherlich ebenfalls mehrjährigen Campanula moravica am Bisamberg angegeben werden, gar nicht mehr so unglaublich überdimensional vor ! Die Campanula rotundifolia als solche tendiert also zu einer überraschend kräftigen Wurzel, und bei der Campanula moravica vom Bisamberg, die man später vielleicht als eigene Art, vielleicht auch nur als einen Ökotyp der Campanula rotundifolia, der auf trockenen Magerrasen wächst, interpretieren wird, kann die Wurzel eben noch etwas kräftiger sein.
@Elias: Bei vielen Orchideen beruht die Splitterei ja nicht nur auf geringfügigen morphologischen Unterschieden, sondern z.B. bei den Ophrys auch auf der Selektion durch verschiedene sie bestäubende Bienenarten, die sie durch spezifische Pheromene anlocken (in wenigen Fällen auch Wespen- oder Käferarten), oder bei den Epipactis auf Unterschieden in den Sexualorganen der Blüten.
[zwei Rechtschreiubfehler beim Fundort der C. rotundifolia korrigiert]
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Re: Campanula vom Bisamberg
Irgendwas habe ich wieder falsch gemacht, als ich im obigen Beitrag Rechtschreibfehler korrigiert habe. Ich habe den Beitrag dabei dupliziert, was gar nicht beabsichtigt war. Deshalb habe ich das Duplikat weggelöscht.
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