Untersippen von Spergula arvensis
- Stefan Lefnaer
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Untersippen von Spergula arvensis
In der EFÖ08 werden zwei Unterarten von Spergula arvensis unterschieden:
Da ich darüber letztes Jahr eine Diskussion mit einem anderen Botaniker führte, habe ich letztes Jahr ein paar Belege genommen und mir diese nun genauer angesehen. Nachfolgend bringe ich exemplarisch Fotos von einer Pflanze zur weiteren Diskussion. Man erkennt Samen ohne und Samen mit hellen Anhängsel, die ähnlich wie Blasenhaare aussehen.
Hier Samen mit Anhängsel...
...und hier einer ohne:
Auf S. 70 der genannten EFÖ08 sind Papillen als "kleine, nur mit der Lupe sichtbare Erhebungen oder Ausstülpungen" definiert. Ausstülpung passt ganz gut, auch wenn Papillen meist anders aussehen. Kästner et al. (2001) nennt die Anhängsel "bläschenförmige Strukturen", was es besser trifft. Welche Funktion die Anhängsel haben, darüber konnte ich bisher nirgendwo etwas finden. Falls es überhaupt jemand weiß.
Die Samen ohne Anhängsel sind nicht "glatt" und eigentlich auch nicht "fein punktiert", sondern weisen auf der Oberfläche ein komplexes regelmäßiges Muster auf. So ähnlich wie die Samen von Portulaca oleracea.
Abgesehen von den Benennungen und ob diese zutreffend erscheinen oder nicht, fällt aber auf, dass Pflanzen, die wohl alle zu S. a. subsp. arvensis zu stellen sind, manchmal ausschließlich Samen mit Anhängsel, manchmal ausschließlich Samen ohne Anhängsel und manchmal Samen mit als auch ohne Anhängsel haben. Das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein der Bläschen scheint mir also kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal zu sein. In Kästner et al. (2001) wird den Bläschen auch keine Bedeutung als Unterscheidungsmerkmal beigemessen und zudem werden die Untersippen nur als Varietären eingestuft, was zutreffender sein dürfte.
Da ich nun selbst wohl noch nie S. a. subsp. sativa gesehen habe und nicht weiß wie dort die Samen aussehen, möchte ich in die Runde fragen welche Erfahrungen ihr mit den Untersippen gemacht habt. Findet ihr auch offensichtliche S. a. subsp. arvensis, die Samen mit oder ohne Bläschen oder sowohl als auch hat? Oder könnt ihr das Merkmal bestätigen? Hat wer schon S. a. subsp. sativa gesehen und wie sehen dort die Samen aus?
Da ich darüber letztes Jahr eine Diskussion mit einem anderen Botaniker führte, habe ich letztes Jahr ein paar Belege genommen und mir diese nun genauer angesehen. Nachfolgend bringe ich exemplarisch Fotos von einer Pflanze zur weiteren Diskussion. Man erkennt Samen ohne und Samen mit hellen Anhängsel, die ähnlich wie Blasenhaare aussehen.
Hier Samen mit Anhängsel...
...und hier einer ohne:
Auf S. 70 der genannten EFÖ08 sind Papillen als "kleine, nur mit der Lupe sichtbare Erhebungen oder Ausstülpungen" definiert. Ausstülpung passt ganz gut, auch wenn Papillen meist anders aussehen. Kästner et al. (2001) nennt die Anhängsel "bläschenförmige Strukturen", was es besser trifft. Welche Funktion die Anhängsel haben, darüber konnte ich bisher nirgendwo etwas finden. Falls es überhaupt jemand weiß.
Die Samen ohne Anhängsel sind nicht "glatt" und eigentlich auch nicht "fein punktiert", sondern weisen auf der Oberfläche ein komplexes regelmäßiges Muster auf. So ähnlich wie die Samen von Portulaca oleracea.
Abgesehen von den Benennungen und ob diese zutreffend erscheinen oder nicht, fällt aber auf, dass Pflanzen, die wohl alle zu S. a. subsp. arvensis zu stellen sind, manchmal ausschließlich Samen mit Anhängsel, manchmal ausschließlich Samen ohne Anhängsel und manchmal Samen mit als auch ohne Anhängsel haben. Das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein der Bläschen scheint mir also kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal zu sein. In Kästner et al. (2001) wird den Bläschen auch keine Bedeutung als Unterscheidungsmerkmal beigemessen und zudem werden die Untersippen nur als Varietären eingestuft, was zutreffender sein dürfte.
Da ich nun selbst wohl noch nie S. a. subsp. sativa gesehen habe und nicht weiß wie dort die Samen aussehen, möchte ich in die Runde fragen welche Erfahrungen ihr mit den Untersippen gemacht habt. Findet ihr auch offensichtliche S. a. subsp. arvensis, die Samen mit oder ohne Bläschen oder sowohl als auch hat? Oder könnt ihr das Merkmal bestätigen? Hat wer schon S. a. subsp. sativa gesehen und wie sehen dort die Samen aus?
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Re: Untersippen von Spergula arvensis
kann man überhaupt nachweisen, dass dies fixe morphologische strukturen sind und nicht physiologisch bedingte "austritte" aus poren oder so?
- Stefan Lefnaer
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Re: Untersippen von Spergula arvensis
Das ist sicher eine gute Frage. Wobei ein Blasenhaar funktional nicht so viel anders ist. Ich wäre ja noch weiter gegangen und hätte vermutet, dass die Anhänsel gar nicht zur Pflanze gehören, sondern z.B. eine Pilzerkrankung sein könnten. Um mehr zu sehen, habe ich folgedessen die Anhängsel mikroskopiert:
Man erkennt kleine, rund 100 µm lange keulenförmige Gebilde mit warziger Oberfläche, die auf einem Sockel auf der Samenoberfläche stehen. Das spricht aus meiner Sicht dafür, dass sie zur Pflanze gehören und kein Parasit etc. sind. Reine Ausscheidungen aus Öffnungen auf der Samenoberfläche würden zudem eher nicht so regelmäßige Keulen bilden. Es muss sich wohl um fixe morphologische Strukturen handeln. Was für welche und welche Funktion sie haben, liegt aber weiter im Dunkeln. Und bezüglich der taxonomischen Fragestellung bringt und dieser mikroskopische Exkurs auch nicht weiter.
Also: Spörgel-Freunde und Anhängsel-auf-Samenoberfächen-Experten, bitte um Meinungen!
Man erkennt kleine, rund 100 µm lange keulenförmige Gebilde mit warziger Oberfläche, die auf einem Sockel auf der Samenoberfläche stehen. Das spricht aus meiner Sicht dafür, dass sie zur Pflanze gehören und kein Parasit etc. sind. Reine Ausscheidungen aus Öffnungen auf der Samenoberfläche würden zudem eher nicht so regelmäßige Keulen bilden. Es muss sich wohl um fixe morphologische Strukturen handeln. Was für welche und welche Funktion sie haben, liegt aber weiter im Dunkeln. Und bezüglich der taxonomischen Fragestellung bringt und dieser mikroskopische Exkurs auch nicht weiter.
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- Stefan Lefnaer
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Re: Untersippen von Spergula arvensis
Ich habe nun etwas recherchiert und überraschend viel Literatur gefunden. Hier eine Auswahl (ich habe nur Zugriff auf die Zusammenfassungen, was aber ausreichen dürfte):
https://www.jstor.org/stable/2444211
Demnach gibt es zwei genetisch bedingte Morphotypen (das wurde bereits durch New 1958 beschrieben), eine Pflanze kann demnach nur Samen eines Typs aufweisen (siehe aber auch das dritte Paper!): "weedy annual that exhibits a genetically based seed coat polymorphism in which two primary seed types, papillate (P) and nonpapillate (NP), are produced". Weiters geht es in dem Paper darum, ob die unterschiedlichen Samentypen ein unterschiedliches Keimungsverhalten aufweisen. Zudem werden lokale Unterschiede ("Britain, in which NP plants predominate in northern populations and P plants in southern populations") beschrieben.
https://www.researchgate.net/publicatio ... gnificance
Enthält schöne REM-Fotos, aber keine Aussage zur Taxonomie der Untersippen.
https://www.researchgate.net/publicatio ... MINABILITY
Es gibt demnach zwei Samentypen (N und NP). Es gibt Pflanzen die entweder N oder NP und solche die N und NP produzieren: "The majority of individuals were monomorphic and produced capsules containing only one type of seed. Heteromorphic individuals produced capsules containing: a) NP seeds, and b) P seeds, and c) mixed seeds." Weiters wird ein Unterschied in der Keimfähigkeit der unterschiedlichen Samentypen konstatiert: "NP seeds from plants growing under long- and short-day photoperiods were characterized by higher germinability than P seeds at both temperatures." Das würde dafür sprechen, dass Kultivare auf NP-Samen selektiert wurden und daher nur oder hauptsächlich NP-Samen produzieren, weil eine Kulturpflanze möglichst keinen Keimverzug haben soll.
Fazit: das Vorhanden- oder Nicht-Vorhandensein von Papillen auf der Samenoberfläche ist nicht geeignet die Untersippen, d.h. die "gewöhnliche" Segetalsippe in Äckern und auf Ruderalstellen, die an Leinfelder angepasste Segetalsippe und die als Tierfutter verwendeten Kultivare, zu unterscheiden. Möglicherweise wurden, wie oben beschrieben, Kultivare so gezüchtet, dass sie nur NP-Samen hervorbringen, was teilweise zum EFÖ08-Schlüssel passen würde. Allerdings können offensichtlich Wildsippen beide Samentypen hervorbringen, was die Samentypen als Unterscheidungsmerkmal unbrauchbar macht. Zudem dürfte, wie schon oben geschrieben, die Einstufung der Untersippen als Unterarten zu hoch gegriffen sein. Der Schlüssel in der EFÖ08 wurde vermutlich aus dem Rothmaler übernommen und könnte auf dem unzureichenden oder nur lokalen begrenztem Studium von Herbarbelegen oder Populationen basieren. Eine Korrektur des Schlüssels wäre zu empfehlen.
https://www.jstor.org/stable/2444211
Demnach gibt es zwei genetisch bedingte Morphotypen (das wurde bereits durch New 1958 beschrieben), eine Pflanze kann demnach nur Samen eines Typs aufweisen (siehe aber auch das dritte Paper!): "weedy annual that exhibits a genetically based seed coat polymorphism in which two primary seed types, papillate (P) and nonpapillate (NP), are produced". Weiters geht es in dem Paper darum, ob die unterschiedlichen Samentypen ein unterschiedliches Keimungsverhalten aufweisen. Zudem werden lokale Unterschiede ("Britain, in which NP plants predominate in northern populations and P plants in southern populations") beschrieben.
https://www.researchgate.net/publicatio ... gnificance
Enthält schöne REM-Fotos, aber keine Aussage zur Taxonomie der Untersippen.
https://www.researchgate.net/publicatio ... MINABILITY
Es gibt demnach zwei Samentypen (N und NP). Es gibt Pflanzen die entweder N oder NP und solche die N und NP produzieren: "The majority of individuals were monomorphic and produced capsules containing only one type of seed. Heteromorphic individuals produced capsules containing: a) NP seeds, and b) P seeds, and c) mixed seeds." Weiters wird ein Unterschied in der Keimfähigkeit der unterschiedlichen Samentypen konstatiert: "NP seeds from plants growing under long- and short-day photoperiods were characterized by higher germinability than P seeds at both temperatures." Das würde dafür sprechen, dass Kultivare auf NP-Samen selektiert wurden und daher nur oder hauptsächlich NP-Samen produzieren, weil eine Kulturpflanze möglichst keinen Keimverzug haben soll.
Fazit: das Vorhanden- oder Nicht-Vorhandensein von Papillen auf der Samenoberfläche ist nicht geeignet die Untersippen, d.h. die "gewöhnliche" Segetalsippe in Äckern und auf Ruderalstellen, die an Leinfelder angepasste Segetalsippe und die als Tierfutter verwendeten Kultivare, zu unterscheiden. Möglicherweise wurden, wie oben beschrieben, Kultivare so gezüchtet, dass sie nur NP-Samen hervorbringen, was teilweise zum EFÖ08-Schlüssel passen würde. Allerdings können offensichtlich Wildsippen beide Samentypen hervorbringen, was die Samentypen als Unterscheidungsmerkmal unbrauchbar macht. Zudem dürfte, wie schon oben geschrieben, die Einstufung der Untersippen als Unterarten zu hoch gegriffen sein. Der Schlüssel in der EFÖ08 wurde vermutlich aus dem Rothmaler übernommen und könnte auf dem unzureichenden oder nur lokalen begrenztem Studium von Herbarbelegen oder Populationen basieren. Eine Korrektur des Schlüssels wäre zu empfehlen.
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Re: Untersippen von Spergula arvensis
Danke für die Teilung des Erkenntnisgewinns!
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