Die Kalkklippen nächst Falkenstein

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Stefan Lefnaer
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Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Montag 14. April 2025, 21:19

In der Kalkklippenlandschaft, auf der die Burg Falkenstein steht, gibt es einige interessante Trockenrasen, um die es in diesem Thread gehen soll. Geologisch gehört das Gebiet zur Waschbergzone. Details können der geologischen Karte GEOFAST 1:50.000 entnommen werden.

Über das Gebiet ist unlängst eine von Wolfgang Willner betreute Masterarbeit erschienen. Die Verfasserin, Melanie Frauendienst, hielt darüber Ende 2023 einen interessanten Vortrag in unserer Seminarreihe. Auffällig ist, dass einige im Folgenden gezeigte Arten in der Masterarbeit fehlen: Thesium dollineri (stattdessen wird Th. ramosum angeführt), Viola rupestris und Linum hirsutum (obwohl es sogar einen Beleg gibt). Die drei Arten sind mir nach eine kurzen Suche aufgefallen, ich habe nicht alles abgeglichen.

In der Arbeit wird - wie in der Vegetationsökologie üblich - versucht die Natur in Schränke, Schubladen, Schachteln und Schachterln hineinzustecken. Aus meiner Sicht ist das - allgemein auf die Vegetationsökologie bezogen - eine zweifelhafte Vorgehensweise. Die Natur weist meist nämlich keine scharfen Grenzen auf, sondern fließende Übergänge, sowohl räumlicher wie zeitlicher Natur (letzteres wird als Sukzession bezeichnet). Meines Erachtens lebt die Vegetationsökologie bzw. das Braun-Blanquet-System stark von der anthropogenen Prägung der Landschaft durch den Menschen: dadurch dass der Mensch das Grundbuch erfand, das Land in Parzellen aufteilte und diese verschieden nutzt - die eine als Wiese, die nächste als Wald, die dritte als Acker usw. - ergeben sich scharfe Grenzen zwischen Vegetationseinheiten, die man recht gut in einem solchen Schubladensystem erfassen kann. In natürlichen Lebensräumen geht das klarerweise nicht und eine Schubladisierung ist nur möglich, indem man mehr oder weniger willkürlich Grenzen zieht, wo gar keine sind. Ich will nicht sagen, dass es völlig überflüssig wäre eine Einteilung der Vegetation vorzunehmen, nur müssten die Übergänge korrekt abbildet werden. Möglich wäre das sicher, z.B. mit den mathematischen Methoden der Graphentheorie etc., und moderne Computer könnten damit sicher problemlos umgehen (Braun-Blanquet damals mit seinen Zetteln vermutlich noch nicht). Daher erscheint es mir umso fragwürdiger, wieso man an einem solchen starren System festhält, anstatt es zu erweitern. Wissenschaft heißt ja immer Fortschritt: auch Einstein hielt nicht an der Newtonschen Mechanik fest, sondern erweiterte sie um die Relativitätstheorie. Und Einsteins Nachfolger verwarfen wiederum manches davon, um die Quantenmechanik daraufzusetzen. Nur in der Biologie ist man teilweise unbeweglich.

So, nach diesem Rundumschlag können wir uns dem vorliegenden Gebiet widmen. Zur Orientierung verlinke ich auf eine Landkarte.

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Stefan Lefnaer
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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Montag 14. April 2025, 21:28

Wir starteten auf einer kleinen Klippe direkt neben dem Parkplatz der Burg in Qu. 7265-3.

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Dort bestehen wunderschöne Frühlingsannuellenfluren:

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Blick nach Norden Richtung Pollauer Berge und Nikolsburg/Mikulov:

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Blick auf die anderen zwei untersuchten Klippen (sog. KÖR-Klippe und Höhlenstein):

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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Montag 14. April 2025, 21:46

Anzutreffen waren u.a. Arabis auriculata  NT  —  L8   T8   K7   F2     R8   N3   S0 :

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Cerastium pumilum s.str.  NT  —  L8   T7   K4   F2     R8   N2   S1  (im Bild) und Cerastium semidecandrum  NT  —  L9   T7   Ki   F3     R6   N2   S1 :

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Pentanema oculus-christi  EN  —  L9   T8   K7   F2     R8   N2   S0 :

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Saxifraga tridactylites  LC  —  L9   T6   K2   F2     R7   N2   S0 :

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Taraxacum sect. Erythrosperma:

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Veronica praecox  VU  —  L9   T7   K5   F2     R8   N2   S0 :

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Veronica prostrata  VU  —  L8   T7   K8   F2     R8   N2   S0 :

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Viola rupestris  NT , im PA  VU  —  L7   Ti   K6   F3     R8   N2   S0 :

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Unter den kleinen Gebüschen auf der Klippe waren auch feuchtigkeitsliebendere Arten wie Viola odorata  LC  —  L5   T6   Ki   F5  ~  R7   N6   S0  und Viola suavis  LC  —  L6   T7   K6   F4  ~  R7   N6   S0  anzutreffen. Gehören die nun zurselben Pflanzengesellschaft wie die o.g. Arten? Oder ist da eine unsichtbare Wand dazwischen? Wo steht die genau? Das ist alles sehr schwierig, wenn man die Dinge starr sieht.

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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Montag 14. April 2025, 22:04

Dann ging es weiter Richtung KÖR-Klippe. Am Weg dorthin auf einer schrägen Halbtrockenrasenfläche u.a. Carex caryophyllea  LC , im PA  NT  —  L8   Ti   Ki   F4     Ri   N3   S0 :

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Thesium dollineri  EN  —  L8   T7   K6   F3     R8   N3   S0  (wenige Pflanzen, aber nachweisbar):

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Rosetten von Verbascum lychnitis  LC  —  L8   T6   K6   F3     R7   N4   S0 :

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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Montag 14. April 2025, 22:17

Weiter ging es zur KÖR-Klippe. Die heißt natürlich nicht so, sondern wurde von mir so getauft, weil dort eine Kunstinstallation in den öffentlichen Raum gepflanzt wurde und die Klippe auf der Karte keinen Namen hat. Die Kunstinstallation besteht aus Eisenröhrln an denen Eisenreifen (vielleicht sollen diese Reifen von Weinfässern darstellen und so ganz subtil auf den berühmten Weinort Falkenstein anspielen) montiert sind. Die schon etwas altersschwachen Eisenreifen haben im starken Wind gescheppert und es war zu befürchten, dass einem einer auf den Kopf fallen könnte. Auf den Fotos merkt man davon aber nichts, da sieht alles friedlich und ruhig aus.

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Blick Richtung Burg Falkenstein:

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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Montag 14. April 2025, 22:21

Auf der KÖR-Klippe u.a. Prunus mahaleb  LC  —  L7   T7   K6   F3     R8   N3   S0 ...

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...und Pulsatilla grandis  VU  —  L7   T6   K5   F2     Ri   N1   S0 :

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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Montag 14. April 2025, 22:30

Weiter ging es zum Höhlenstein, bereits in Qu. 7265-4 gelegen:

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Auch hier sind die Böden weiter unten naturgemäß tiefgründiger und daher von Gebüschen bestockt. Nach oben hin werden sie immer trockener und magerer, bis sie in nackem Fels enden. Grenzen gibt es klarerweise nicht, sondern ein Kontinuum in dessen Verlauf sich auch die pflanzlichen Bewohner ändern. Wobei jede Art selbstverständlich eine mehr oder weniger große Amplitude aufweist.

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Blick Richtung Burg:

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Blick Richtung Osten:

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Blick Richtung Norden:

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Wohl eine natürlich entstandene Felssäule:

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Die namensgebende Höhle:

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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Montag 14. April 2025, 22:34

Hier ein paar Aufnahmen von den Fels- und Frühlingsannuellenfluren:

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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Jürgen Baldinger » Dienstag 15. April 2025, 05:48

Schöne Vorstellung des schönen Gebiets, danke!

Zu Cerastium pumilum: Du verwendest sicher den dafür in der Neilreichia publizierten, im Vergleich zur 3. Auflage der EfÖLS verbesserten Schlüssel. Ich tue mir mit dem schwer. Schaust du nur auf die Behaarung des untersten Internodiums oder auch auf die Dimensionen von Blüten und Samen?
"(...) gib ihnen noch zwei südlichere Tage (...)"

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Re: Die Kalkklippen nächst Falkenstein

Beitragvon Stefan Lefnaer » Dienstag 15. April 2025, 07:13

Gerne! Es geht aber noch weiter...

Ja, ich verwende den neuen Schlüssel und messe immer Griffel und/oder Samen ab.


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