Weinviertler Bruchwälder

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Stefan Lefnaer
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Weinviertler Bruchwälder

Beitragvon Stefan Lefnaer » Mittwoch 9. Juli 2025, 22:39

Im Folgenden möchte ich den Weinviertler Bruchwäldern einen eigenen Thread widmen. Im trockenen Weinviertel sind diese nicht gerade häufig und daher umso interessanter.

Das erste hier besprochene Gebiet, das man als Schwarzerlen-Bruchwald bezeichnen kann, liegt südöstlich von Enzersdorf im Thale am Göllersbach. In Lefnaer (2024) habe ich unter dem Eintrag von Crepis paludosa (siehe auch hier) bereits kurz über das Gebiet berichtet. Streng genommen entspringt der Göllersbach im Galgengrund westlich vom Schloß Ernstbrunn, rinnt dann nach Norden durch den Ernstbrunner Wald, wobei er den Waldteich durchfließt, um bei der Scheibenwiese scharf nach Westen abzubiegen. Dann geht es vorbei am Forsthaus Ödenkirchenwald zum hier behandelten Bruchwald. Tatsächlich ist der Göllersbach bis hierher jedoch nur zeitweise wasserführend, d.h. meist trocken. Richtiggehend entspringt er südöstlich von Enzersdorf (wie in der Urmappe eingezeichnet).

Der Bruchwald dürfte jüngeren Ursprungs sein: In der Urmappe und auch noch in der amtlichen Österreichischen Karte (ÖK) von 1960 sind an dessen Stelle Feucht- bzw. Sumpfwiesen eingezeichnet. Im Folgenden ein Ausschnitt aus der Urmappe und ein aktuelles Luftbild. Das hier diskutierte Gebiet ist rot umrandet:

Bruchwald Enzersdorf.jpg
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Bruchwald Enzersdorf.jpg (816.31 KiB) 46 mal betrachtet

Erst die ÖK von 1980 verzeichnet dort, wohl nach Aufgabe der Viehhaltung im Weinviertel, einen zwischenzeitlich aufgekommenen Wald. Möglicherweise sah das Gebiet noch früher, bevor der Mensch es gerodet hat, ähnlich aus wie heute. Der Sumpf-Pippau und weitere hier vorkommende Arten können sowohl auf Feuchtwiesen als auch in feuchten Wäldern existieren und waren wohl schon vor dem rezenten Schwarz-Erlen-Wald vorhanden.

Im Folgenden ein paar Fotos, damit man sich ein Bild vom Gebiet machen kann:

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Weitere Fotos, auch von hier vorkommenden Pflanzenarten, sind hier aufrufbar.

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Stefan Lefnaer
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Re: Weinviertler Bruchwälder

Beitragvon Stefan Lefnaer » Mittwoch 9. Juli 2025, 23:08

Nachfolgend ein paar aktuelle Updates zum Einzersdorfer Bruchwald. Zuerst ein für Weinviertler Verhältnisse ungewöhnlicher Bestand von Petasites hybridus  LC , im PA  NT  —  L7   T5   K5   F8  =  R7   N7   S0 :

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Auf einer weiteren Fläche, die man als eine Art Hochstaudenflur bezeichnen könnte, Silene baccifera  NT  —  L6   T6   K6   F7  =  R7   N7   S0 :
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Thalictrum lucidum  LC , im PA  EN  —  L7   T6   K6   F7  ~  R7   N5   S1 :

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Nuphar lutea  NT  —  L8   T6   Ki   F11     R7   N7   S0  dürfte vermutlich ein Verwilderung sein. Mitten im Dickicht sind nämlich Reste früherer gärtnerischer Tätigkeiten erkennbar.

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Auch die Wassergräben sind anthropogenen Ursprungs. Jene auf den folgenden Fotos wurden erst kürzlich ausgehoben:

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Re: Weinviertler Bruchwälder

Beitragvon Stefan Lefnaer » Donnerstag 10. Juli 2025, 22:37

Der zweite mir bekannte Bruchwald liegt im Leiser Grund, direkt neben der Kirche von Grafensulz, die möglicherweise auf einem Hügel steht, der früher als Hausberg diente. Schon das -sulz im Namen der Ortschaft deutet auf eine Lage in sumpfigem Gelände hin. Im Bruchwald entspringt ein zeitweise wasserführendes Gerinne, das um die Kirche nach Süden und dann in den Grafensulzer Bach mündet, der wiederum in den Taschlbach entwässert. Das Gebiet ist einheitlicher aber auch artenärmer als jenes bei Enzersdorf, das stellenweise wohl besser als Auwald anzusprechen wäre bzw. stärker anthropogen verändert wurde: in der Baumschicht herrscht Alnus glutinosa vor, in der Krautschicht Carex paniculata und Scirpus sylvaticus. Auch hier bestand vor 200 Jahren kein geschlossener Wald, sondern eine Weide mit Einzelbäumen (oben Urmappe, unten rezentes Luftbild, Bruchwald rot umrandet):

Bruchwald Grafensulz.jpg
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Im Folgenden ein paar Eindrücke von letzten September, nach dem starken Regen:

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Re: Weinviertler Bruchwälder

Beitragvon Stefan Lefnaer » Donnerstag 10. Juli 2025, 22:43

Nun ist der Wald deutlich trockener:

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Re: Weinviertler Bruchwälder

Beitragvon Stefan Lefnaer » Donnerstag 10. Juli 2025, 22:48

Außer den schon genannten Arten gab es u.a. folgende zu sehen: Alopecurus aequalis  NT , im PA  VU  —  L9   T5   K6   F9  =  R6   N8   S2 ...

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...Carex pseudocyperus  NT  —  L7   T6   Ki   F9  =  R6   N6   S1 ...

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...Galium cf. elongatum  VU  —  L6   T6   K4   F9  =  R5   N6   S1 ...

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...Ribes cf. rubrum × spicatum (wohl verwildert)...

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...und auf einer offenen Fläche Sonchus palustris  VU  —  L7   T7   K7   F8  ~  R7   N7   S2 :

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Re: Weinviertler Bruchwälder

Beitragvon Stefan Lefnaer » Donnerstag 10. Juli 2025, 23:03

Der beste Fund war jedoch zweifelsfrei Valeriana dioica  NT , im PA  EN  —  L7   Ti   K3   F8     R6   N3   S1 . Oft saßen die Individuen des Baldrians auf Carex-Bülten. Ich habe die Art vorher erst viermal im Weinviertel gefunden, immer nur kleine Bestände in Feuchtwiesen. Vermutlich gab es den Baldrian hier schon früher, als die Fläche noch Grünland war. Fischer et al. (2008) geben die Art jedoch neben "Nasse Wiesen, (kalkreiche) Niedermoore, Sümpfe" auch für "Bruchwälder" an. Somit passt das Habitat sehr gut und es besteht die Hoffnung, dass es sich nicht um eine Restpopulation handelt, sondern um eine, die eine Zukunft hat. Vielleicht wird der Baldrian im Bruchwald sogar eher überleben können als auf Feuchtwiesen; erstens weil es hier kühler und feuchter ist und der Klimawandel weniger negative Auswirkungen hat und zweitens weil keine anthropogenen Tätigkeiten (Mahd) nötig sind, um das Habitat zu erhalten. Aber vielleicht ist es auch umgekehrt oder Valeriana dioica wird gar auf beiden Standorten aussterben. Wer weiß das schon?

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Re: Weinviertler Bruchwälder

Beitragvon kurt nadler » Freitag 11. Juli 2025, 08:56

Der Egelsee bei Althöflein könnte auch hier ins Thema passen. (Egelseen gibts in Ö unzählige; der Name weist auf Äugln, also Auen, meist ehemalige Moore, hin. In den historischen Gletschervorländern sind´s oft Toteislöcher.)
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